Alf Zachäus
Romantik im DDR-Kulturverständnis?
In seinem Artikel „Die deutsche Besonderheit“ (taz, 18./19.12.21, S.28-29) folgt Christian Jacob der Diagnose Jutta Ditfurths, die in der Romantik u.a. eine tragende Säule des offiziellen DDR-Kulturverständnisses ausmacht. In der romantisch vorgeprägten Kulturlandschaft Ostdeutschlands fänden neurechte Gurus wie Götz Kubitschek leicht eine ihnen ergebene Anhängerschaft, so die Schlussfolgerung. Der Ditfurthschen Diagnose scheint eine der Bestätigung ihrer vorgefassten These dienende selektive Auswahl von Quellen zugrunde zu liegen. Ein unvoreingenommenes Quellenstudium offenbart nämlich schnell, welch großen Wert die einstigen SED-Apparatschiks auf die Selbstinszenierung als legitime Erben der Aufklärung, nicht der Romantik, legten – der Mythos als Mittel zur Legitimierung des Machtmonopols.
Die Vorstellung von der allgemeinen Wirkmächtigkeit des offiziellen DDR-Kulturverständnisses verkennt wiederum die weitgehende Wirkungslosigkeit der staatlichen Propaganda in breiten Milieus im Arbeiter- und Bauernstaat.
Zu den gegen die ideologische Beeinflussung durch SED-Chefideologen höchst immunen Milieus gehörte das deutschnational und zutiefst chauvinistisch gesinnte, welches auch in der DDR fortbestand. Jene soziale Schichten übergreifende Kulturgemeinschaft bestehend aus den geistigen, häufig auch biologischen, Kindern und Enkeln der einstigen Nazis in Mitteldeutschland und Ostelbien. Sie im Verbund mit den nach 1990 aufgewachsenen Rechtsradikalen bilden heute eine zentrale Kohorte der AfD-Gefolgschaft und der Querdenker in Ostdeutschland. So wenig sich dieses Milieu von DDR-Kulturpolitikern leiten ließ, sowenig folgt es heute Neofaschisten a la Höcke und Kubitschek aufgrund einer ihm unterstellten Liebe zur Romantik. Die politischen Nachkommen der NSDAP-Mitläufer und -täter folgen und stärken ihre selbstgewählten Führer solange sie ihre Egoismen bestätigen. Eine Hand wäscht die andere. Alf Zachäus, Halle (Saale)
meine Kommentare
04.07.2022 , 10:38 Uhr
Begriffsverengung Ulrich Herbert lehnt die Begriffe Faschismus und Vernichtungskrieg zur Charakterisierung des gegenwärtigen Putin-Regimes und der Kriegsführung des russischen Militärs in der Ukraine ab. In seiner Einschätzung der Kremldiktatur scheinen wesentliche Kräfte und Verhältnisse in der russischen Gesellschaft nicht ausreichend Berücksichtigung zu finden. Hingewiesen sei nur auf die Massenbasis des zur Allmacht gelangten EX-KGB-Offiziers und seiner über zwei Millionen Mitglieder zählenden Staatspartei „Einiges Russland“. Eine ganze Reihe anderer Parallelen zu den vergangenen faschistischen Diktaturen und nationale Besonderheiten in Rechnung stellend erscheint mir hingegen der Begriff neofaschistische Diktatur russischen Typs als der zutreffendste. Ulrich Herberts Ablehnung der Beschreibung des Ukrainekrieges als Vernichtungskrieg beruht wiederum auf einer begrifflichen Verengung. Nur wenn mit der brutalen Systematik von Wehrmacht und SS in den von ihnen erreichten Größenordnungen gemordet und zerstört wird, läge der Tatbestand des Vernichtungskrieges vor, folgt aus seiner Argumentation. Herberts berechtigte Kritik an jedweder Relativierung der Verbrechen des deutschen Faschismus im II. Weltkrieg durch ihre unsachgemäße Gleichsetzung mit denen der russischen Soldateska in der Ukraine 2022 führt so selbst zu fatalen Ungenauigkeiten. Wenn ein diktatorisch regierender Hobbyhistoriker der Bevölkerung eines Nachbarstaates jedwede kulturelle Eigenständigkeit abspricht und die gewaltsame Zwangsrussifizierung von Millionen befiehlt, handelt es sich um nichts anderes als einen bewussten Akt der Vernichtung mit kriegerischen Mitteln. Alf Zachäus, Halle (Saale)
zum Beitrag28.12.2021 , 17:23 Uhr
Romantik im DDR-Kulturverständnis?
In seinem Artikel „Die deutsche Besonderheit“ (taz, 18./19.12.21, S.28-29) folgt Christian Jacob der Diagnose Jutta Ditfurths, die in der Romantik u.a. eine tragende Säule des offiziellen DDR-Kulturverständnisses ausmacht. In der romantisch vorgeprägten Kulturlandschaft Ostdeutschlands fänden neurechte Gurus wie Götz Kubitschek leicht eine ihnen ergebene Anhängerschaft, so die Schlussfolgerung. Der Ditfurthschen Diagnose scheint eine der Bestätigung ihrer vorgefassten These dienende selektive Auswahl von Quellen zugrunde zu liegen. Ein unvoreingenommenes Quellenstudium offenbart nämlich schnell, welch großen Wert die einstigen SED-Apparatschiks auf die Selbstinszenierung als legitime Erben der Aufklärung, nicht der Romantik, legten – der Mythos als Mittel zur Legitimierung des Machtmonopols. Die Vorstellung von der allgemeinen Wirkmächtigkeit des offiziellen DDR-Kulturverständnisses verkennt wiederum die weitgehende Wirkungslosigkeit der staatlichen Propaganda auf breite Milieus im Arbeiter- und Bauernstaat. Zu den gegen die ideologische Beeinflussung durch SED-Chefideologen höchst immunen Milieus gehörte das deutschnational und zutiefst chauvinistisch gesinnte, welches auch in der DDR fortbestand. Jene soziale Schichten übergreifende Kulturgemeinschaft bestehend aus den geistigen, häufig auch biologischen, Kindern und Enkeln der einstigen Nazis in Mitteldeutschland und Ostelbien. Sie im Verbund mit den nach 1990 aufgewachsenen Rechtsradikalen bilden heute eine zentrale Kohorte der AfD-Gefolgschaft und der Querdenker in Ostdeutschland. So wenig sich dieses Milieu von DDR-Kulturpolitikern leiten ließ, sowenig folgt es heute Neofaschisten a la Höcke und Kubitschek aufgrund einer ihm unterstellten Liebe zur Romantik. Die politischen Nachkommen der NSDAP-Mitläufer und -täter folgen und stärken ihre selbstgewählten Führer solange sie ihre Egoismen und Vorurteile bestätigen. Eine Hand wäscht die andere. Alf Zachäus, Halle (Saale)
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