: Mehr Zelte werden kommen
FLÜCHTLINGE Zu den Zelten für über 150 minderjährige Flüchtlinge auf dem Stadtwerder und am Fallturm kommt wahrscheinlich auch bald mindestens eins für Erwachsene
Silvia Pfeifer, Verein „Fluchtraum“
VON SIMONE SCHNASE
Die Unterbringung unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge in Bremen und die Zustände in der Erstaufnahme in der Steinsetzer Straße waren Themen einer Sondersitzung der Sozialdeputation am gestrigen Nachmittag. Dabei stellte sich heraus, dass auch Zelte für erwachsene Flüchtlinge immer wahrscheinlicher werden. Noch vor zwei Wochen hieß es aus dem Sozialressort, es zeichne sich ab, dass Bremen mit leerstehenden Hallen und anderen festen Unterkünften auskommen und auf Zelte verzichten könne.
Die ehemalige zentrale Aufnahmestelle (Zast) wird momentan wegen katastrophaler hygienischer Zustände geräumt. Bei den Jugendlichen haben sich Krankheiten wie Krätze und Borkenflechte ausgebreitet, zwei Tuberkulose-Fälle sind ebenfalls aufgetreten.
Die Räumung, sagte die grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann, könne nur in Etappen geschehen, weil es für die zuletzt 200 Minderjährigen zu wenig Ausweichunterkünfte gibt. Auf dem Stadtwerder ist ein Zelt für 35 Jugendliche errichtet worden, ein weiteres für bis zu 120 Jugendliche soll an der Uni in der Nähe des Fallturms aufgestellt werden. Die Tennishalle Arsten wird für 70 Minderjährige umgebaut, die Eissporthalle „Paradice“ ebenfalls: „Dort werden wir auch die temporäre Erstaufnahme installieren“, so Stahmann.
Die Zelte stoßen auf Widerstand sowohl bei der Linksfraktion als auch beim Verein „Fluchtraum“. Deren Sprecherin Silvia Pfeifer kritisiert die mangelnde Privatsphäre im Flüchtlingszelt: „Jeweils sechs Betten nebeneinander, nur durch Bauzäune ein bisschen voneinander abgegrenzt, keine abschließbaren Schränke, ein einziges Sofa für bald 35 Menschen, keine Fenster.“ Feucht sei es und stickig, sehr laut durch den Regen, kalt wegen des Sommers, der noch keiner ist. „Und der Betreuungsschlüssel ist eine genauso große Katastrophe wie in der Steinsetzer Straße.“ Dort war es vor knapp zwei Wochen zu sexuellen Übergriffen zwischen Jugendlichen gekommen – nachts waren im gesamten Gebäude lediglich vier Sicherheitsleute anwesend, die einzige sozialpädagogische Fachkraft hatte nur Rufbereitschaft.
Nach der Sanierung in rund acht Wochen sollen nur noch 135 Jugendliche in der ehemaligen Zast leben, sagte Stahmann, das bisher einem Matratzenlager gleichende Souterrain des Gebäudes soll ein Gemeinschaftsraum werden. Die Frage, wo die anderen Jugendlichen unterkommen sollen, ließ sie im Dunkeln, betonte aber: „Die beiden Zelte dienen nur der temporären Unterbringung für die Zeit der Sanierung.“ Darüber hinaus halte sie „sechs Wochen Zelten im Sommer für unproblematisch.“
Zelte auch für erwachsene Flüchtlinge schließt Stahmann mittlerweile jedoch auch nicht mehr aus: „Wir rechnen in diesem Sommer mit 800 Flüchtlingen – da müssen wir Notmaßnahmen planen, zu denen natürlich auch Zelte gehören.“
Man würde aber Gebäude vorziehen wie die Tennishalle in Arsten: „Da appellieren wir auch andere Sportvereine.“ Eine Übergangsnutzung könne aber nur „in guter Zusammenarbeit geschehen, schließlich wollen wir hier nicht wie in München städtische Liegenschaften einfach beschlagnahmen.“