: Zur Not auch ohne Athen
EURO Auf einem Sondergipfel soll sich heute die Zukunft Griechenlands entscheiden. Einen Ausstieg aus der Eurozone kann aber nur die Europäische Zentralbank erzwingen
AUS BRÜSSEL ERIC BONSE
Bricht in dieser Woche die Eurozone auseinander? Oder finden Griechenland und seine Gläubiger doch zusammen? Kurz vor dem Sondergipfel der Euroländer am Montagabend in Brüssel gehen Erwartungen und Ängste auseinander. Während sich Großbritannien auf den „Grexit“ – also den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro – vorbereitet, hofft die Regierung in Athen auf eine Einigung in letzter Minute.
Finanzminister Gianis Varoufakis appellierte an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sich für eine „ehrenvolle Einigung“ einzusetzen. Sonst trage Deutschland die Verantwortung, sollte Griechenland über Bord geworfen werden, schrieb Varoufakis in einem Beitrag für die FAS. Athen sei zu Kompromissen bereit.
Bereits am Sonntag hat Premier Alexis Tsipras in Telefonaten unter anderem mit Merkel neue Reformpläne präsentiert – Inhalte blieben jedoch zunächst offen. Die Kreditgeber hatten Einsparungen von rund 2 Milliarden Euro gefordert, Athen hatte das bisher strikt abgelehnt. Allerdings hatte sich Varoufakis bereits bei der gescheiterten Eurogruppe am Donnerstag zu Reformen bereit erklärt. Voraussetzung sei eine Umschuldung und ein Wachstumsprogramm.
Nach Angaben aus Athen haben sich die Positionen zuletzt angenähert: Im Streit über das Sparprogramm gehe es letztlich nur noch um Maßnahmen für 450 Millionen Euro. Demgegenüber steht fast 500-mal so viel auf dem Spiel – nämlich jene 240 Milliarden Euro, die das seit fünf Jahren von der Pleite bedrohte Land bereits an Hilfskrediten erhalten hat. Auf Deutschland entfällt davon mit rund 80 Milliarden Euro der größte Anteil.
Bei einem Grexit wären diese Kredite wohl verloren. Allerdings bedeutet ein Zahlungsausfall, der am 30. Juni droht, nicht sofort den Rauswurf aus der Eurozone. In den EU-Verträgen ist ein Austritt aus dem Euro gar nicht vorgesehen, niemand kann Athen zwingen, den Euro aufzugeben. Allerdings könnte sich Griechenland nicht mehr in der Währungsunion halten, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) den Geldhahn zudreht.
Der EZB kommt daher die zentrale Rolle zu. Bei einer Krisensitzung am Montag will sie entscheiden, ob sie neue Notkredite freigibt, um die klammen griechischen Banken über Wasser zu halten. Sollte sie sich dagegen entscheiden oder mit einem Stopp der Geldversorgung drohen, stünden Tsipras und Varoufakis mit dem Rücken zur Wand. Sie hätten dann kaum noch eine Wahl, die zur Mittagszeit tagende Eurogruppe und der Euro-Gipfel am Abend könnten ihnen die Bedingungen diktieren.
Auf Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kann Tsipras nicht mehr hoffen. Zwar wollten beide am Sonntagabend noch einmal miteinander telefonieren. Juncker ist jedoch nicht mehr bereit, an den Forderungen der Gläubiger zu rütteln, die vor zwei Wochen auf einer Nacht-und-Nebel-Sitzung im Berliner Kanzleramt formuliert wurden. Allenfalls könne man noch über Details reden, hieß es am Sonntag in Brüssel.
Dass die Euroländer nicht mehr auf Griechenland warten wollen, zeigt auch ein Reformkonzept, das Juncker am Montag in Brüssel vorlegen will und das die taz einsehen konnte. Unter dem Titel „Die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden“ formulieren Juncker und fünf weitere EU-Präsidenten Vorschläge für einen Ausbau der Eurozone bis 2025. So soll die Eurozone ihre Vertretung im Internationalen Währungsfonds verbessern und mehr Geld gegen Schocks wie Finanzkrisen bereitstellen. 2025 soll sogar ein eigenes Euro-Schatzamt stehen. Die Botschaft an Athen ist klar: Wir rücken zusammen – zur Not ohne euch.