: Queen-Size Berlin
ROYAL Kränze abwerfen, Bötchen fahren und winken? taz.berlin findet: So viel Langeweile hat die Queen nicht verdient. Ein paar Alternativvorschläge für den dreitägigen Staatsbesuch
■ Kommenden Dienstagabend wird Königin Elisabeth II. am Flughafen Tegel eintreffen. Bundespräsident Gauck empfängt sie am Mittwochmorgen in Bellevue. Nach einer Fahrt über die Spree trifft Elisabeth II. die Bundeskanzlerin an der Neuen Wache.
■ Am Nachmittag besucht sie die Technische Universität anlässlich des Festakts „50 Jahre Queen’s Lecture“ – eine Vortragsreihe, die die Queen der Stadt bei ihrem ersten Staatsbesuch in Deutschland vor 50 Jahren schenkte.
■ Am Donnerstag begrüßt sie der britische Botschafter zu seiner Gartenparty.
■ Freitagmorgen um ca. 10 Uhr haben die Berliner die Möglichkeit, die Königin und den Herzog von Edinburgh bei einem kleinen Rundgang am Brandenburger Tor zu sehen.
■ Anschließend reist die Queen nach Celle und fliegt von dort zurück nach Großbritannien. (scha)
VON NINA APIN
Tag eins:
Am ersten Tag muss eine Queen tun, was eine Queen tun muss. Kranzabwurf an der Neuen Wache, Besuch beim britischen Botschafter und seiner Frau – da müssen Sie durch. Aber wer sagt denn, dass Sie nicht kurz mal zwischendurch bei „Tucher“ am Brandenburger Tor reinhuschen können? Dort gibt es eine royale Currywurst, mit einem Glas Champagner. Halten Sie dann einfach eine dieser Fahrradrickschas an und lassen Sie sich von den strammen Waden eines Jungberliners zur Stadtschloss-Baustelle chauffieren. Dort wartet sicher schon der Barockfanatiker Wilhelm von Boddien und will Ihnen seine preußischen Sandsteinornamente zeigen. Daneben lauert Tim Renner und will Ihnen erklären, warum Berlin das „Rom der Zeitgeschichte“ ist. Als Monarchin von Welt und Herrscherin über ein ganzes Commonwealth sind Sie über diese kleingeistigen Perspektiven natürlich erhaben. Darum lassen Sie die beiden getrost stehen – und halten sich stattdessen an die freundlichen Menschen von „Berlin Postkolonial“. Die sind sicher hocherfreut, Sie mit auf einen postkolonialen Stadtspaziergang zu nehmen – von der Mohrenstraße bis hoch zum Afrikanischen Viertel. Danach werden Sie auf der Höhe des Diskurses sein. Auf den Schreck können Sie sich ruhig ein feuriges Curry in einem Restaurant der Mirchi-Kette gönnen. Ist ja nur Gastro-Imperialismus.
Tag zwei:
Schluss mit all der Geschichtsschwere, Zeit für einen echt britischen fun day. Man sagt Ihnen ja nach, Sie seien humorbegabt – auch wenn Sie es nicht immer zeigen. Da geht es Ihnen ähnlich wie den Berlinern, also: let’s go: Gleich morgens nach dem Adlon-Frühstück rüber zu Madam Tussauds. Checken, wie gut das eigene Antlitz gelungen ist und wie dämlich Charles und Camilla mal wieder aus der Wäsche schauen. Dann ein Bierbike mieten und auf den breiten Prachtstraßen rübergondeln in den Wrangelkiez zu „Hello good pie“. Commonwealth Day war ja erst gestern, dafür darf’s dann heute ein herzhafter Steak & Guinness Pie sein – „no nasty ingredients, locally sourced, finest quality“ – verspricht der Koch. Schnell noch ein crazy Outfit in einer dieser kleinen Boutiquen erworben. Die perfekte Tarnung, um sich incognito einem Pub Crawl mit lauter lustigen Landsleuten anzuschließen. Lager, Lager, Lager – und noch ein paar Gin-Cocktails.
Tag drei:
Standesgemäßes Hangover-Frühstück. Falls Sie im Adlon nur gesundes Zeug haben, lassen Sie sich eben von ihrem Chauffeur ins „broken English“ nach Charlottenburg fahren, deren Black Pudding weckt Tote wieder auf. Danach gönnen Sie sich eine kleine Landpartie. Am Flugplatz Gatow können Sie Philip absetzen. Mit dem Militärhistorischen Museum der Bundeswehr kann der sich sicher eine Weile beschäftigen. Sie fahren derweil weiter nach Lebus. Dort züchtet der „Club für britische Hütehunde e. V.“ mit deutscher Gründlichkeit Welsh Corgis. Nein, nicht nur die Cardiganshire-Variante. Sondern auch die Pembrokeshire’sche. So sweet! Falls Sie sich dann noch etwas amüsieren wollen, besuchen Sie die Trabrennbahn Karlshorst: Pferderennen im proletarischen Ambiente. Angenehm: Die Hüte sind hier nicht so groß, man sieht richtig was. Außerdem kennt Sie hier bestimmt keiner, jetzt können Sie zocken, was die Zuwendungen ihrer Untertanen hergeben. Aber lassen Sie noch was übrig, damit Sie Philip aus dem Militärmuseum abholen lassen können. Schließlich müssen Sie rechtzeitig zurück zum Brandenburger Tor, um den Massen zu winken. Schauen Sie dabei ruhig ein bisschen streng, das erwarten die Berliner von einer Königin. Braucht ja nicht jeder zu wissen, was für eine jolly good time Sie hier hatten.
Our pleasure.
Ihre Berlin-Redaktion