: „Reserveantibiotika müssen im Stall verboten werden“
KRANK MACHER Resistente Keime aus der Landwirtschaft können schwere Infektionen auslösen. Bio-Bauern sind seltener betroffen
Im Emsland haben eine bäuerliche Erzeugergemeinschaft und eine Anwohnerinitiative darüber gewettet, ob Landwirte häufiger mit multiresistenten MRSA-Keimen besiedelt sind als andere Menschen.
■ 355 Landwirte hatten eine Probe ihres Nasenschleims untersuchen lassen.
■ Das Ergebnis: 0,56 Prozent der Teilnehmer trugen den Krankenhauskeim HA-MRSA. Dies liegt unter dem angenommenen Durchschnittswert in der Bevölkerung von einem Prozent.
■ Der landwirtschaftliche Keim LA-MRSA wurde jedoch bei 38 Prozent der Landwirte festgestellt.
taz: Frau Lührs, sind Bauern im Krankenhaus nun eine Risikogruppe oder nicht?
Imke Lührs: Ganz klar, ja. Es werden in deutschen Kliniken bei planbaren Operationen, wie beispielsweise Herz-OPs, Risikogruppen auf multiresistente Keime getestet – auch Landwirte.
Aber die Landwirte haben sich bei der Wette im Emsland doch als Gewinner gerühmt.
In Bezug auf die Krankenhauskeime HA-MRSA sind sie tatsächlich nicht häufiger als der Durchschnitt besiedelt. Die Wette hat aber auch ergeben, dass Landwirte ganz erheblich von LA-MRSA Keimen besiedelt sind.
Sind diese landwirtschaftlichen Keime, die durch den Kontakt mit Tieren übertragen werden, ungefährlich?
Nein. Zwar ist der Keim bisher nicht so gut von Mensch zu Mensch übertragbar wie der Krankenhauskeim und weniger krank machend. Es sind aber schon etliche Infektionen wegen des Keims bei Bauern aufgetreten – einige starben daran.
Welche Krankheiten kann der LA-MRSA-Keim hervorrufen?
Er muss in die Blutbahn eindringen – dann führt er in erster Linie zu Haut und Weichteilinfektionen. Gelangt er etwa durch eine Operation tiefer in den Körper, können auch Herzklappenentzündungen, Blutvergiftungen oder Abszesse in inneren Organen auftreten.
Können Verbraucher die multiresistenten Keime über Fleischprodukte aufnehmen?
Ja, tierische Produkte sind ganz erheblich mit LA-MRSA besiedelt. Eine Studie des BUND über Putenfleischproben aus dem Supermarkt hat gezeigt, dass knapp 74 Prozent der Proben besiedelt waren. Wenn man dieses Fleisch in der Küche zubereitet, können die Keime natürlich auch Verbraucher gefährden.
Gibt es den Keim auch in der ökologischen Landwirtschaft?
■ 60, ist Internistin und Rheumatologin in Bremen und im Vorstand der Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung.
Ja, aber in geringerem Ausmaß, gerade wenn Bio-Bauern auch eine Hofschlachtung betreiben. Auch im Schlachthof werden resistente Keime übertragen.
Was fordern Sie?
Reserveantibiotika müssen im Stall verboten werden. Die werden in der Humanmedizin eingesetzt, wenn konventionelle Antibiotika nicht mehr helfen – beispielsweise Colistin. Das ist bei einigen Intensivpatienten die letzte Hilfe, wird aber in der Putenmast unkontrolliert eingesetzt. Wenn das so bleibt, könnten unsere letzten Waffen bald nicht mehr wirken. INTERVIEW: REA