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Archiv-Artikel

Ein Kleid aus Teebeuteln

KONSUM Deutschlandweit hat Greenpeace am Wochenende versucht, Secondhand-Kleidung ein cooleres Image zu verpassen. Auch im KitKat Club wurde getauscht – 500 BesucherInnen ließen sich inspirieren

„Jugendliche wollen individuell sein und rennen zu Primark“

ChRISTIAN VON GREENPEACE BERLIN

VON LEONIE SONTHEIMER

Klar, manch ein Pullover hat nach fünf Jahren im Schrank seinen Glanz verloren – nicht zu reden von seiner Zeitgemäßheit in der sich um sich selbst rotierenden Welt der Modetrends. Über einen gewissen Grad der Ausgeblichenheit aber konnte beim Kleidertausch im KitKat Club das bunte Neonlicht hinwegtäuschen.

500 Leute zog es am vergangenen Samstagnachmittag in den bekannten Nachtclub zu einer großen Kleidertauschparty. In ganz Deutschland waren es fast 10.000 Menschen, die am Wochenende Kleider tauschten statt neu kaufen. Organisiert wurden die Kleidertauschpartys in Berlin, Hamburg, Stuttgart und 37 anderen Städten von Greenpeace-Ehrenamtlichen.

Dass die Umweltschützer ihr Anliegen mal nicht auf einer Demo oder an einem Infostand vertreten, sondern in einem hippen Club, ist Teil einer neuen Strategie, die der Verein verfolgt: Seit vier Jahren hat Greenpeace im Rahmen der Detox-Kampagne weltweit die Entgiftung der Textilproduktion voran getrieben. 31 internationale Modemarken und Discounter von Adidas über H&M bis zu Aldi haben sich nach Angaben von Greenpeace verpflichtet, bis zum Jahr 2020 alle Risiko-Chemikalien aus ihrer Produktion zu entfernen – das seien 15 Prozent der globalen Textilproduktion.

Nun hat sich der Umweltschutzverein überlegt, auch mal an die Konsumierenden heranzutreten. Dass umwelt- und gesundheitsschädigende Chemikalien besonders in Asien die Gewässer verschmutzen, liegt schließlich nicht zuletzt daran, dass der Kleidungskonsum sich inzwischen alle zehn Jahre verdoppelt. „Jeder Deutsche kauft im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr,“ sagt Kirsten Brodde, Textilexpertin bei Greenpeace.

Besonders Heranwachsende kauften immer mehr und immer billiger Kleidung ein. „Die Jugendlichen wollen heute individuell sein und rennen dann zu Primark,“ bemerkt Christian von der Berliner Greenpeace-Gruppe. Dabei machen seiner Meinung nach gerade der zweite Gebrauch oder das Upcycling von Kleidung einen Stil individuell.

Das Publikum, das sich am Samstag zwischen den Kleiderständern über die Tanzfläche schiebt, ist jedenfalls im Schnitt älter als „jugendlich“. Obwohl der nicht gerade jugendfreie Wandbehang des Clubs – künstlerische Nacktfotos – großzügig mit schwarzen Stoffen abgehängt ist, ist die Location wohl doch nicht geeignet für 14- bis 18-jährige Fashionjägerinnen.

Gut gelaunte Greenpeace-Ehrenamtliche nehmen am Eingang von jeder Besucherin bis zu fünf Kleidungsstücke pro Besucherin in Empfang. Die teils ausgeleierten und ausgebleichten, teils wie neu anmutenden Klamotten sind nicht nur nach Art und Größe geordnet, sondern auch nach Geschlecht – das Angebot für die Männer fällt dünn aus. Auf der Frauenseite hingegen wechseln Hosen, Röcke, T-Shirts, Schuhe und Taschen in Windeseile ihre Besitzerin. Die Unterwäsche musste zu Hause bleiben. Elektronisches Dröhnen von DJ Ostbam vermischt sich in dem geschlossenen Raum mit stickiger Luft. Gut, dass es draußen ein Pool gibt, an dem man sich erfrischen kann.

Vier eingeladene Organisationen präsentieren am Rande der Kleidertauschparty weitere Alternativen zum Wegwerfkonsum: Feine Schnitte macht ein Modenschau mit upgecycelter Vintage-Mode, beim Stand des Kulturlabors Trial&Error kann man aus alten T-Shirts allerhand andere Dinge herstellen und ein Kleid aus Teebeuteln bewundern. An einer Nähmaschine leistet ein Praktikant von Die Wille ambulante Soforthilfe – er näht von innen einen Flicken an die Löcher im Schritt einer Jeans. Und foodsharing bietet Informationen sowie aus Mülltonnen gerettete Möhren und Brötchen.

Am Ende der Veranstaltung sind auch die Betreiber vom KitKat zufrieden. Es war die erste Kleidertauschparty in dem Club, der sonst eher dafür bekannt ist, dass Klamotten früher oder später unbeachtet in irgendeiner Ecke landen.