: Von wegen saubere Arbeit
DRUCK Nach Lohnerhöhungen müssen Gebäudereiniger oftmals mehr Fläche in derselben Zeit putzen. Die Gewerkschaft IG BAU will sich dagegen mit einem Tarifvertrag wehren
VON MADELEINE HOFMANN
BERLIN taz | Seit Jahren bedeuten Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer im Gebäudereinigungsgewerbe vor allem eins: mehr Arbeit. Regelmäßig steigt mit den Löhnen der Leistungsdruck, hat die für die Gebäudereinigung zuständige Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) beobachtet. Vor und nach Tarifrunden werde die zu reinigende Fläche zum Beispiel oftmals ohne Zeitausgleich erhöht. Damit soll Schluss sein: Die IG BAU fordert am heutigen Dienstag bei Tarifverhandlungen in Leipzig Belastungsobergrenzen für Gebäudereiniger. Verlaufen die Gespräche mit dem Bundesinnungsverband der Gebäudereiniger erfolgreich, könnte der bundesweit erste Tarifvertrag zur sogenannten Leistungsverdichtung abgeschlossen werden.
„Wir sind mittlerweile an der Grenze der Belastbarkeit angelangt“, klagt Norbert Riediger. Der 55-Jährige ist Betriebsrat bei der Gebäudereinigung Gegenbauer mit Sitz in Berlin. Ihm vertrauen sich Mitarbeiter bei Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber an. Wie Doreen W., die seit 21 Jahren in der Gebäudereinigung arbeitet. Während die 45-Jährige vor einigen Jahren noch mit neun weiteren Kollegen ein vierstöckiges Schulgebäude zu putzen hatte, müssen die Reiniger es heute zu fünft in derselben Zeit schaffen. Der Aufwand bleibt jedoch gleich.
So geht es vielen in der Branche. Für rund 600.000 Beschäftigte fordert die IG BAU deshalb jetzt eine Obergrenze für die Quadratmeter, die in einer bestimmten Zeit geputzt werden sollen. Je nach Gebäudetyp und Aufwand sollen unterschiedliche Grenzen gelten. Zudem sollen Arbeitgeber offensiver mit ihren Kunden in Verhandlungen treten. Oft stimmen die Inhalte der Verträge zwischen Unternehmen und Kunden nicht mit der Realität überein. So sei es vor allem in Bürogebäuden üblich, dass die Anzahl der Arbeitsplätze pro Raum mit der Zeit erhöht werde, heißt es. Statt der vereinbarten zwei hat die Reinigungskraft dann etwa vier Schreibtische zu putzen. Die Verträge werden daran oft nicht angepasst.
Statt sich dagegen zu wehren, nehmen die Reinigungskräfte die so entstehenden unbezahlten Überstunden in Kauf. „Sie haben Angst“, erklärt Riediger, „dabei haben sie Arbeitsverträge nach Stunden, nicht nach Leistung.“ Der Druck wirke sich auf die Psyche aus, Arbeitsschutz bleibt auf der Strecke. „Wenn man von Büro zu Büro hetzt, bleibt oft keine Zeit mehr, Gummihandschuhe anzuziehen, um sich vor Chemikalien zu schützen“, sagt der Betriebsrat.
Konfrontiert mit der Mehrarbeit, haben Unternehmen vor allem ein Argument: Die Kunden tragen die steigenden Kosten für das Personal nicht mit. Dabei ginge es auch anders, sagt Rainer Dombrowsky, Leiter der Firma Dombrowskys Reinigungsservice. Seine Kunden seien bereit, für Qualität auch anständig zu zahlen. Der Bundesinnungsverband der Gebäudereiniger wollte sich dazu auf Anfrage vor den Verhandlungen nicht äußern.
Betriebsräten und Gewerkschaft geht es auch um den Ruf der Branche. Sie wollen, dass die Arbeit der Gebäudereiniger wertgeschätzt wird. „Ein Tarifvertrag zur Leistungsverdichtung ist nicht nur ein Durchbruch für die Gebäudereinigung“, sagt Ulrike Laux, Mitglied des Bundesvorstands der IG BAU, „sondern für den gesamten Dienstleistungssektor.“