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Archiv-Artikel

Viel Musik in Mitte

POP Ziemlich lebendig: musikalisch ein recht anregendes Wochenende mit Denovali und dem Torstraßenfestival

Hier ist die Musik: Denovali und Torstraßenfestival

■ Das Denovali-Festival im Radialsystem, Holzmarktstraße 33, ist was für offenherzige Hörer, die Musik in der ganzen Bandbreite zwischen Elektronischem, Experiment und Jazz schätzen. Am Samstag spielen ab 19 Uhr Nils Petter Molvaer & Moritz von Oswald, Hidden Orchestra, Ricardo Donoso und Poppy Ackroyd, am Sonntag ab 18 Uhr Forest Swords, Floex, Ah! Kosmos und Witxes. Tageskarten 30 Euro.

■ Das Torstraßenfestival versteht sich schon auch als Kiezfestival, mit einem kunterbunten musikalischen Programm an zehn Orten rund um und entlang der Torstraße vom Acud übers Kaffee Burger bis zur Z-Bar. Das passiert am Samstag von 14 bis 24 Uhr. Einen Nachschlag gibt es am Sonntag mit einem Konzert in der Volksbühne.Tagestickets 18 Euro. Programm: www.torstrassenfestival.de

VON ANDREAS HARTMANN

Gerade wurde in einem logischerweise viel Aufsehen erregenden Artikel in der Welt mal wieder behauptet, Berlin sei jetzt endgültig, definitiv und für immer total over und wer sich jetzt nicht sofort von dieser trägen Scholle verzieht, wird demnächst vor lauter Langeweile einfach tot umfallen.

Dabei bemüht sich Berlin doch so sehr. Nehmen wir einmal die Festival-Landschaft der Stadt: Gefühlt und wahrscheinlich auch in der Realität gibt es jede Woche irgendein Musikfestival, bestimmt ist Berlin längst Welthauptstadt der Festivals. Das Angebot reicht dabei von elektronischer Avantgarde für Spezialisten beim CTM-Festival bis hin zum Spaß für die ganze Familie beim Berlin Festival, das gerade Ende Mai stattgefunden hat.

Festivals sind in Berlin auch nicht nur einfach da, zumindest einmal im Jahr, sondern in permanente Transformationsprozesse eingebunden. Das Berlin Festival etwa hat sich über die letzten Jahre von seinem Ursprungsstandort 2005 irgendwo da draußen vor den Toren der Stadt, im Erlebnispark Paaren im Glien, in die Mitte der Stadt bewegt. Festivals sind in Berlin durchaus Experimentierfelder, und auch wenn hier im September das Lollapalooza erstmalig steigt, wird sich ja erst noch zeigen müssen, ob die Stadt bereit ist für ein derart aufgeblasenes Superfestival.

Die großen Namen

Wichtig für Festivals ist normalerweise das Werben mit großen Namen, denn mit diesen fängt man sein Publikum. Dementsprechend eine Art Anti-Festival unter den Festivals ist das Denovali. Dessen selbst erklärte Politik lautet: Bei uns werden alle Künstler gleich behandelt, niemand ist Headliner. Halbe Lautstärke bei den zu Beginn auftretenden Acts und gerade mal zehn Besucher, die sich erst mal an die Bar verziehen, muss hier also nicht befürchtet werden.

Trotz der Egalitäts-Philosophie von Denovali passiert es natürlich trotzdem: Das voraussichtliche Highlight des Festivals an diesem Wochenende drängt sich einfach auf. Nichts gegen Forest Swords und dessen schlüssige Mischung aus Techno, Dub und Drones und auch nichts gegen die anderen, eher unbekannteren Acts aus der experimentellen Musikszene, die in diesem Rahmen im Radialsystem auftreten werden, aber richtig gespannt ist man dann doch vor allem auf Moritz von Oswald, der auf den norwegischen Trompeter Nils Petter Molvaer trifft. Die beiden Musiker haben sich in den letzten Jahren extrem offen gezeigt, was den Willen betrifft, in immer wieder überraschenden Musikerkonstellationen auf die Bühne zu treten und inzwischen eine gewisse Routine darin, musikalische Fusionen der ungewöhnlichen Art voranzutreiben. Hier also trifft Elektronik und Dub auf eine gestopfte Jazztrompete, das mag etwas ausgedacht klingen, wird im Falle dieser beiden Könner aber bestimmt ein Ereignis.

Ausgelassene Stimmung

Zum klassischen Besuch eines Festivals gehört eigentlich, irgendwo draußen bei viel zu vielen Mücken zu campen, von Festivalbühne zu Festivalbühne zu wandern, in der Dixie-Klo-Schlage anzustehen und vor das eigene Zelt zu kotzen. Das alles wird im Radialsystem nur schwer zu ermöglichen sein. Ein wenig von dieser kaputt-ausgelassenen Stimmung simuliert bekommt man dagegen mit etwas Mühe beim Torstraßenfestival an diesem Wochenende. Hier zieht man durch die Clubs von Mitte, kotzt vielleicht in den Weinbergspark, und bei Bedarf macht man ein kleines Nickerchen neben der Bühne im Bassy.

Mitte, und für diese Erkenntnis muss man die Welt nicht unbedingt aufschlagen, gilt eigentlich schon seit einer Ewigkeit als tot. Als Flagshipstore-verseuchter Bezirk, aus dem sich inzwischen auch die allerletzten Clubs zurückgezogen haben sollen. Für einen toten Kiez wirkt das Torstraßenfestival jedoch ziemlich lebendig. In den letzten Jahren hat sich das Event, an dem sich immer noch angesagte Läden vom Kaffee Burger bis zur Volksbühne beteiligen, zu einem richtig großen Ereignis gewandelt.

Von Mittags bis in die Nacht treten in der Torstraße und Umgebung reichlich Bands auf. Manche von ihnen sind hoffnungsvolle Berliner Newcomer wie Isolation Berlin, andere echte Lokalmatadoren wie Jens Friebe, und als ob das noch nicht reichen würde, tritt als Höhepunkt noch die aktuell ziemlich hoch gehandelte HipHop-Combo Young Fathers aus Edinburgh in der Volksbühne auf. Viel mehr erwartet man vom Lollapalooza eigentlich auch nicht.

Das Organisatoren-Team rund um Norman Palm – selber eine Art Berliner Popstar – will das Torstraßenfestival jetzt endgültig zur richtig großen Nummer machen. Filmscreenings und die „Noisekölln Music Video Awards“ in der Z-Bar gibt es noch obendrauf. Wem das alles dann immer noch nicht reichen sollte an Action in Berlin, der soll halt diesen Berlin-Abgesang in der Welt liken.