Beate Zschäpe wird krank vom Schweigen

PSYCHE Gutachter attestiert der Angeklagten wegen „extrem kraftraubender Verteidigungsstrategie“ eine chronische Erschöpfung

BERLIN taz | Der Riss zwischen Zschäpe und ihren Anwälten ist seit März auch gutachterlich dokumentiert. Von Meinungsverschiedenheiten ist in einem 17-seitigen Papier des Gerichtspsychiaters Norbert Nedopil die Rede. Zschäpe habe den Eindruck, sie müsse stets aufpassen, dass ihre Verteidiger keine Fehler begingen und sie in ihrem Sinne verträten.

Nedopil hatte Zschäpe zu einem langen Gespräch getroffen. Herausgekommen ist ein seltener Einblick in das Innenleben der Angeklagten, die bis heute im Prozess eisern schweigt.

Nedopil berichtete sie vor allem über die Anstrengung, die ihr das Schweigen im Prozess bereite. Sie sei „am Ende“, kaum noch in der Lage, ihre Gesichtszüge zu kontrollieren. Im Gerichtssaal gehe es zu „wie in einem Kriegsgebiet“. Als Richter Götzl weitere Verhandlungstage bis Anfang 2016 bekanntgab, sei dies „wie ein Schlag“ gewesen, gab Zschäpe zu Protokoll.

Nedopil attestiert ihr eine „chronische Belastungsreaktion“, die zu Konzentrationsschwächen, Müdigkeit, Erbrechen, gar Röschenflechten geführt habe. Dies gehe auch auf die „extrem kraftraubende Verteidigungsstrategie“ zurück – das Dauerschweigen.

Die scheint Zschäpe indes nicht infrage zu stellen. Könnte sie sich doch jederzeit aus eigenem Antrieb im Gerichtssaal zu Wort melden. Vielmehr scheint sie das defensive Auftreten ihres Anwältetrios zu belasten. Diese, so schrieb sie in ihrem ersten Misstrauensantrag 2014, ließen wichtige Fragen ungestellt.

Wiederholt mussten zuletzt Prozesstage ausfallen, weil Zschäpe erkrankt war. Erst in dieser Woche sagte Richter Manfred Götzl zwei weitere Termine ab, „mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Angeklagten“. Schon zuvor hatte er nur noch zwei statt drei Sitzungstage pro Woche anberaumt, Fotografen dürfen nur noch zweimal monatlich in den Saal.

Götzl ist offenbar in Sorge, dass sich der Prozess weiter verzögert, je öfter Zschäpe erkrankt. Im schlimmsten Fall könnte das Verfahren wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit gar platzen. Dafür müsste allerdings eine sehr schwere Erkrankung vorliegen. KONRAD LITSCHKO