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Archiv-Artikel

Jäger wollen nicht bleifrei ballern

JAGDGESETZ In Schleswig-Holstein ist bleihaltige Munition verboten – um die Natur zu schützen, aber auch den Verbraucher. Nun murrt der Landesjagdverband, die alternativen Geschosse töteten nicht schnell genug – wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz

Der Landesjagdverband in Schleswig-Holstein will seine alte Munition zurück. Die ist bleihaltig – und seit April landesweit verboten, seit zwei Jahren bereits in den Landesforsten. Geschehen ist das zum Schutz der Natur und der Wild-Esser: Bleirückstände lassen sich im Fleisch nachweisen. Die Jäger-Organisation klagt nun, die alternativen Kugeln – die anstelle von Blei Kupfer oder Messing enthalten – töteten getroffene Rehe und Wildschweine nicht schnell genug. Wissenschaftliche Studien stützen diese Vermutung allerdings nicht.

„Töten, nicht verletzen“

„Blei pilzt auf und verformt sich“, erklärt Klaus-Hinnerk Baasch, Präsident des Jäger-Verbands, was passiert, wenn ein Geschoss auf einen Tierkörper trifft. Das liege am relativ weichen Material. Kupferhaltige Munition sei härter und trete aus dem Tierkörper aus, ohne große Verletzungen zu hinterlassen. „Wild wollen wir aber töten“, sagt Baasch, „und nicht nur verletzen.“ Der Einsatz der alternativen Munition verlängere die Fluchtwege sterbender Tiere.

Ein Problem, das auch Chris Balke beobachtet, Jäger und Leiter der Schweißhundestation im Kreis Herzogtum Lauenburg. Seine Hunde spüren verletzte Rehe und Wildschweine auf. In den vergangenen 20 Jahren habe er bei solchen Nachsuchen drei Wildtiere gefunden, die mit einem Lungendurchschuss noch einen Tag später am Leben gewesen seien. „Im letzten Jahr“, sagt er, „waren es 14.“

Baasch kennt diese Geschichten. Er möchte das Verbot von Bleimunition wieder abgeschafft sehen – möglichst sofort. Die negativen Auswirkungen solcher Geschosse bestreitet er: Den Bleigehalt von Lebensmitteln in Folge entsprechender Munition nennt er „weit außerhalb aller Gefährdungszonen – auch für Schwangere und Kinder“. Auch Tiere, die Blei über die Nahrung aufnähmen, schieden es wieder aus, ohne sich zu vergiften.

Dem widerspricht Helmut Neu von der Arbeitsgemeinschaft naturnahe Jagd: „Es ist schon seit Jahrzehnten bekannt, dass Blei eine toxische Wirkung hat.“ Der Öko-Jäger nutzt selbst bleifreie Kugeln und hat nicht beobachtet, dass die Tiere qualvoller stürben. Er weist auf eine Studie der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde hin: Die habe 11.000 Abschüsse untersucht – mit dem Ergebnis, dass die „Tötungswirkung bleifreier Munition tierschutzgerecht wirksam ist“, so Neu.

„Genug Zeit, sich vorzubereiten“

Auf diese Studie bezieht sich auch das Kieler Landwirtschaftsministerium: Danach seien keine „signifikanten Unterschiede zur Bleimunition“ festgestellt worden, sagt Sprecherin Nicola Kabel. Zudem hätten die Jäger genügend Zeit gehabt, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Eine Gesetzesänderung sei nicht vorgesehen.

Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) findet das richtig. Er hat für die „Veränderungsunlust“ vieler Jäger kein Verständnis: „Es sterben regelmäßig Seeadler und andere Greifvögel in den Wintermonaten an Bleivergiftungen“, sagt er – eine Folge der bleihaltigen Munition, die Rückstände in Gewässern und Böden hinterlasse.

Für Baasch bleibt diese Argumentation unverständlich. „Ein hoher Kupfergehalt ist auch schädlich.“ Zwar würde er es begrüßen, wenn in der herkömmlichen Munition der Bleianteil reduziert würde, sagt der Jäger. „Aber das Verbot muss weg.“ ANDREA SCHARPEN