: Die Hot-or-not-Liste der Gottesdienste
CHECK Glückliche Schwangere, unverständliche Akzente, spontane Geistesblitze. Drei Gottesdienste auf dem Kirchentag im taz-Test
VON LAILA OUDRAY
Gottesdienste sind das ultimative christliche Get-together. 120 gibt es auf dem Kirchentag, und für jeden ist etwas dabei: für Alte und für Junge, für Frauen und Männer, Kinder und Schwangere, für Rockliebhaber und Technojünger. Wir haben uns drei Gottesdienste angesehen und sie nach höchst objektiven Kriterien bewertet. Die Höchstwertung von 5 Luther konnten wir dabei kein einziges Mal vergeben. Einmal mussten wir zu unserem Leidwesen ganz auf eine Wertung verzichten.
„Von Anfang an gesegnet“– Gottesdienst für Schwangere und ihre Familien
Vortrag: Die Predigt wird monoton vorgelesen. Nicht grauenhaft, aber nicht wirklich schön:
Inhalt: Vertrau auf Gott, und du wirst ein tolles Kind werfen. Alles irgendwo schon mal gehört, aber die glücklichen Gesichter der Gläubigen zeigen: Sie scheinen wirklich Trost gefunden zu haben.
Atmosphäre: Die Predigt wird von einem Gospelduo begleitet. Das kommt natürlich gut an. Wer allerdings nicht schwanger ist, kommt sich fehl am Platz vor.
Interaktivität: Die Gläubigen sollen ihre Wünsche auf Papierblumen schreiben und in eine Wasserschale legen. Klingt arg esoterisch, aber alle machen mit und kommen mit Tränen in den Augen auf ihre Plätze zurück. Ergreifend.
„Satt ist nicht genug“ – Gottesdienst des Hilfswerks Brot für die Welt
Vortrag: Es wird international. Menschen aus aller Welt sprechen mit allerlei Sprachen und Akzenten. Nette Idee, leider auf Kosten der Verständlichkeit. Deswegen nur ein
Inhalt: Es geht um die Reichhaltigkeit von Gottes Erde und darum, wie sie geteilt werden kann, vermutlich. Durch Verständnisschwierigkeiten kommt jedoch nicht viel an.
Atmosphäre: Ein südamerikanisches Duo tritt auf. Doch die Gläubigen haben kein Interesse an Unterhaltung, es wird gedöst statt gelauscht. Die Ersten schleichen sich raus, lange bevor der Gottesdienst zu Ende ist.
Interaktivität: Nicht vorhanden. Keiner kann etwas tun.
„Auf dass WIR klug werden!“ – Stärkungsgottesdienst für Frauen und Lesben
Vortrag: Energisch und frei. Kleine Versprecher werden verziehen.
Inhalt: Zielgruppengerechte Ansprache. Es geht um Gott als Zuflucht für lesbische Frauen in Zeiten der Unterdrückung und der Angst. Viele lebensnahe Beispiele.
Atmosphäre: An die Wand werden die Regenbogenfarben projiziert. Es hat was von Selbsthilfegruppe. Die Gläubigen sind aber euphorisch, singen laut mit und genießen die Andacht.
Interaktivität: „Das Leben ist kostbar, also …“ Plötzlich gehen zwei Frauen mit Mikrofonen durch die Reihen, um die spontanen Geistesblitze der Anwesenden einzufangen, nervöses Gestammel inklusive.