: Die Nörglerin
Sie schreibt Songs über den kräftigen Fehltritt in Hundescheiße oder nerviges Popcorn-Rascheln im Kino. Die Künstlerin Manuela Hörr leitet seit 2013 gemeinsam mit ihrem Mann den Beschwerdechor in Hildesheim. Der sammelt anonym Alltagssorgen und Beschwerden der Stadtbewohner – und verpackt sie in Musik. Mal in Reggae-Beats, mal in weihnachtliche Klänge, fast immer witzig und manchmal satirisch. Gesungen wird auf Deutsch. „Weil die Themen auch ziemlich deutsch sind“, sagt Hörr.
Die ersten Auftritte hatten die Laiensänger in der Hildesheimer Innenstadt. Nun wäre fast die ganz große Showbühne gefolgt – aber Hörr gab Dieter Bohlen einen Korb. Als ein RTL-Redakteur der Castingshow „Das Supertalent“ bei ihr anrief, schien der „ehrlich an unserem Chor interessiert“, erinnert sich Hörr, die das Format bis dato gar nicht kannte. Nachdem sie sich ein paar Videos im Internet angesehen hatte, war für sie jedoch schnell klar, dass ein Auftritt nicht in Frage kommt. „Das entspricht nicht der Ernsthaftigkeit, mit der wir Humor betreiben“, sagt sie. Die Sendung werde der Liebe, die in dem Chor stecke, nicht gerecht. „Wir wollen die Personen, die dahinter stehen, nicht im Fernsehen verheizen.“ Denn beim Supertalent würden auch Menschen gezeigt, die vor der Kamera scheiterten.
Es ist nicht der erste Auftritt, den die Chorleiterin absagt. „Im Wahlkampf wollten sich die CDU und die Grünen mit uns schmücken.“ Der Chor wollte sich jedoch nicht vereinnahmen lassen. An Auftritten mangelt es den rund 60 Sängern, die stets in schwarzer Kleidung und mit hochtoupierten Haaren auf der Bühne stehen, trotzdem nicht. „Es macht einfach Spaß, die Beschwerden zu hören – auch wenn es nicht die eigenen sind“, sagt Hörr, die hauptberuflich als Schauspielerin arbeitet.
Nach dem Kulturpädagogikstudium ist sie in Hildesheim geblieben, während es ihre Kommilitonen nach Berlin oder Hamburg zog. „In so einer kulturellen Wüste kann man mehr bewegen“, glaubt Hörr. Gänzlich abgeneigt ist die Künstlerin Fernsehauftritten gegenüber nicht: „Ich habe dem Redakteur gesagt, dass er wieder anrufen kann – wenn er für einen anderen Sender arbeitet.“ REA