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Archiv-Artikel

Der Briefwechsel

Nirgendwo verbringen Kinder tagsüber mehr Zeit, kaum ein Thema beschäftigt Eltern so sehr. In der Schule wird Wissen vermittelt, hier beginnen Lebensläufe und Freundschaften fürs Leben. Was denken SchülerInnen über Lehrer, Mitschüler, Lehrpläne, Reformen und Verbote? Was meinen LehrerInnen dazu? An dieser Stelle erscheint in loser Folge ein Austausch zwischen SchülerInnen und LehrerInnen. Lust aufs Briefeschreiben? bildung@taz.de

RAUSSCHMISS

Wie inkompetent!

Vor ein paar Wochen wurde jemand im Unterricht vor die Tür geschickt, weil er gestört hat. Der Schüler musste die ganze Stunde draußen verbringen und durfte nicht weiter am Unterricht teilnehmen. Und das alles, weil er im Unterricht geredet hat. Da stellte sich mir die Frage: Sollte ein Lehrer nicht kompetent genug sein, um so ein Problem zu lösen, ohne gleich so harte Konsequenzen zu ziehen? Und ist es nicht ein Zeichen dafür, dass der Unterricht nicht spannend genug ist?

Der Schüler hat die ganze Stunde verpasst und war draußen, wo der Lehrer ihn nicht sehen konnte. Er hätte dort alles machen können. Ihm hätte auch schlecht werden können, ohne dass jemand etwas mitkriegt. Der Lehrer war ja nicht da.

Ich finde, ein Lehrer sollte so eine Situation anders lösen. Denn jemanden vor die Tür zu schicken löst ja nicht das Problem, es wird so nur weggeschoben, unsichtbar gemacht.

Der Lehrer sollte sich grundsätzliche Gedanken machen, warum der Schüler redet. Wenn sein Unterricht spannender wäre, würden die Schüler bestimmt viel besser aufpassen und mitmachen.

Lisa Arntzen, 14 Jahre, ist Schülerin eines Gymnasiums in Berlin

RAUSSCHMISS

Ein Zeichen setzen!

Es mag ja Unterricht geben, der so interessant ist, dass auch die anstrengendsten Schüler nie auf die Idee kämen, den Unterricht zu stören. Mir selbst ist es aber leider noch nie gelungen, mit meinem Unterricht wirklich alle Schüler zu erreichen. Also halte ich es für eine fast optimale Lösung, Störer „rauszuwerfen“.

Allerdings sollten nur Wiederholungsstörer wirklich den kompletten Rest der Stunde vor die Tür gesetzt werden.

In dem von Dir geschilderten Fall kommt es also darauf an, ob der Schüler nur einmal kurz seinem Nachbarn etwas zugeraunt hat, oder ob er permanent geredet hat. Wenn Letzteres der Fall gewesen sein sollte, verstehe ich den Rauswurf. Denn irgendein Zeichen muss man als Lehrer setzen.

Und ein solcher Rauswurf hat bei näherer Betrachtung nur Vorzüge: Nicht nur der Lehrer, sondern auch die anderen Schüler werden nicht mehr gestört. Deshalb bin ich sogar überzeugt davon, dass viele Schüler sich klammheimlich darüber freuen.

Und der rausgeworfene Schüler hat Zeit, über sein Fehlverhalten nachzudenken. Wichtig ist, dass der Lehrer vorher sein Handy einkassiert, denn sonst denkt der Betreffende nicht nach, sondern spielt Quizduell. Und noch wichtiger: Der Lehrer sollte anschließend auf seine Pause verzichten und mit dem Schüler ein sachliches Gespräch führen.

Extraraum für vor die Tür gesetzte Schüler

An unserer Schule gibt es einen Extraraum für solche Fälle. Schüler, die in diesen Raum geschickt werden, füllen dort einen „Rückkehrplan“ aus, in dem sie ihr Verhalten schriftlich reflektieren. Anschließend sprechen sie mit einem Lehrer, der dort gerade Schicht hat.

Ich bin oft als Lehrer dort. Die meisten Gespräche mit den Schülern sind erfrischend und spannend. Wer zum dritten Mal in den Raum geschickt wird, bekommt ein Disziplinarverfahren, weshalb viele Schüler nach dem ersten Aufenthalt zusehen, nicht noch mal dorthin geschickt zu werden.

Arne Ulbricht, 43, ist Lehrer für Französisch und Geschichte an einem Berufskolleg in Nordrhein Westfalen und Buchautor. Sein aktuelles Buch „Schule ohne Lehrer“ erschien im Januar 2015