Dicke Pötte

GIGANTISMUS Die Containerschiffe werden immer größer. Ab Montag diskutiert die Branche in Hamburg, wie die Häfen mit den Containermassen zurechtkommen können. Die Gastgeber sehen sich auf einem guten Weg – dabei erreichen die größten Schiffe den dortigen Hafen auch künftig kaum ➤ Schwerpunkt SEITE 43–45

VON GERNOT KNÖDLER
(TEXT) UND IMKE STAATS (ILLUSTRATIONEN)

Vor Beginn der Wirtschaftskrise 2008 haben sie in Hamburg groß gedacht. Nach den Prognosen und Ausbauplänen des damaligen Senats müsste der Hamburger Hafen heute 18 Millionen Standardcontainer umschlagen. Die Realität ist, dass er seit Jahren versucht, die Zehn-Millionen-Marke zu überspringen und noch immer nicht den Vor-Krisen-Rekord von 2008 eingestellt hat. Und Anfang vergangener Woche kam eine ernüchternde Nachricht: Im ersten Quartal 2015 ist der Containerumschlag im Vergleich zum Vorjahr um gut zwei Prozent gesunken.

Der Hamburger Hafen ist eine Wirtschaftslokomotive. Er gibt rund 150.000 Menschen direkt Arbeit und bereichert die Volkswirtschaft um 20 Milliarden Euro im Jahr. Der Preis dafür ist, dass er weitläufige Flächen mitten in der Stadt okkupiert und Land frisst. Außerdem ist für den Hafen mehrfach die Elbe vertieft worden. Die Elbe fließt seitdem schneller, Ebbe und Flut fallen stärker aus und im Sommer fehlt es an Sauerstoff.

Den aktuellen Rückgang im Umschlag erklärt Hafen Hamburg Marketing mit Ausnahmeeffekten. Zum einen sei das Vorjahresquartal im Containerverkehr besonders gut gewesen: Hamburg habe Anfang 2014 mit acht Prozent „ein außergewöhnlich starkes Wachstum erreicht“.

Zum anderen träfen die Folgen der Ukraine-Krise seit der zweiten Jahreshälfte 2014 auch den Hamburger Hafen. Durch die Handelssanktionen sei der Containerverkehr mit Russland um fast 35 Prozent eingebrochen. Das kleine, einstellige Wachstum in anderen Container-Fahrtgebieten habe das nicht ausgleichen können.

Dazu kommt ein Problem, das mit Hamburgs Lage 120 Kilometer tief im Binnenland zusammenhängt: Die Elbe ist nicht tief genug für die Containerschiffe der jüngeren Generationen. Nur ein Schiff, das voll beladen nicht tiefer als 12,50 Meter im Wasser liegt, kann den Hafen tideunabhängig anlaufen. Größere Schiffe müssen warten, um auf der Flutwelle von der oder zur Nordsee schwimmen zu können. Geht ein Schiff tiefer als 13,50 Meter, kann es selbst dann nicht voll beladen Hamburg anlaufen.

Im März hat der Vorstandschef der halbstaatlichen Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Klaus-Dieter Peters, deshalb geklagt, einige große Reedereien entlüden Container in konkurrierenden Nordseehäfen auf Zubringerschiffe, sogenannte Feeder, damit ihre großen Frachter Hamburg mit geringerem Tiefgang anlaufen könnten. Dadurch entgehe der HHLA ein Teil des Geschäfts, sagte er bei der Bilanzpressekonferenz des größten Hafenunternehmens im März. Denn die Feeder fahren direkt ins Baltikum weiter.

Die Zahl der großen Schiffe mit einem Tiefgang von 12,50 Metern oder mehr in Hamburg hat sich nach Angaben der Hafenbehörde HPA allein von 2001 bis 2011 auf fast 1.600 verdoppelt. Sie alle können Hamburg nur mit der Flutwelle anlaufen. Fast 700 dieser Schiffe müssten auch nach der nächsten Vertiefung um einen Meter auf der Flutwelle surfen; bei mehr als 500 ist der Tiefgang so groß, dass sie auch dann nicht voll beladen kommen können.

Hamburg betreibt den Fahrrinnenausbau dennoch weiter. Daran ändert auch die Regierungsbeteiligung der Grünen nichts. Mit der SPD haben sie vereinbart, die Frage den Gerichten zu überlassen.