piwik no script img

Archiv-Artikel

Ein Prozess um Neid, Gier, Habsucht und viel Geld

FRANKREICH Im Falle der Milliardärin Bettencourt hat das Gericht geurteilt, Politiker kommen davon

Die 92-jährige Bettencourt gilt mit rund 36 Milliarden Euro als reichste Frau der Welt

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Nach einer mehrmonatigen Beratung hat das Gericht in Bordeaux im Prozess, in dem es um Vertrauensmissbrauch und Ausnutzung der Schwäche der betagten und durch Krankheit beeinträchtigten Milliardärin Liliane Bettencourt ging, nun das Urteil gefällt. Sieben enge Vertraute der Alleinerbin des Kosmetikkonzerns L’Oréal sind zu Haftstrafen oder Geldbußen verurteilt worden. Als Hauptschuldiger stand bei der Urteilsverkündung am Donnerstag der Jetset-Fotograf und Dandy François-Marie Banier vor den Richtern. Er soll insgesamt zwischen 1997 und 2007 „Geschenke“ im Wert von rund 900 Millionen Euro erschlichen haben. Mit einer unbedingten Gefängnisstrafe soll er nun den Preis für seine maßlose Habgier bezahlen. Der Ausnutzung der Altersschwäche schuldig sind laut Gericht auch Baniers Partner Martin d’Orgeval sowie Bettencourts Exvermögensverwalter Patrice de Maistre. Ihm wird zudem Geldwäscherei angelastet, weil er Geld von Bettencourts Konten in der Schweiz für Spenden nach Frankreich transferiert hat. Schuldig gesprochen wurden ein weiterer Vermögensverwalter, ein Notar, ein Anwalt und dessen Geschäftspartner.

Der frühere Haushaltsminister und Schatzmeister der konservativen UMP, Eric Woerth, wurde dagegen freigesprochen. Das Gericht hält es nicht für erwiesen, dass er von Bettencourt heimlich Bargeld für Wahlkampagnen erhalten hat. Die Justiz hatte in ihren Ermittlungen solche von mehreren Zeugen erwähnten Wahlspenden für Nicolas Sarkozys Partei ausgeklammert. Ein diesbezügliches Verfahren gegen den Expräsidenten selbst in der Bettencourt-Affäre war eingestellt worden. In einem parallelen Verfahren ging um den Verdacht der Begünstigung und des Missbrauchs der Amtsmacht. Als Woerth Minister war, erhielt de Maistre die Ehrenlegion. Dieser hat seinerseits Woerths Gattin einen Job in der Vermögensverwaltung beschafft. Das Gericht hielt es jetzt aber nicht für erwiesen, dass diese Anstellung eine Gegenleistung für den Orden war. In zwei Fällen kommt Woerth also mangels Beweisen ungeschoren davon.

Der Prozess hat ein grelles Licht auf ein Milieu geworfen, in dem sonst höchste Diskretion angesagt ist. Die heute 92-Jährige, an Alzheimer erkrankte Bettencourt ist mit einem auf 36 Milliarden Euro geschätzten Privatvermögen die reichste Frau der Welt. So viel Geld weckt Neid und Begierden. Aus den von Bettencourts Butler heimlich aufgezeichneten Gesprächen geht hervor, wie skrupellos engste Vertrauten Geschenke verlangten. Für Gerichtsexperten steht fest, dass die reiche Witwe seit 2006 ein zunehmend eingeschränktes Urteilsvermögen hatte.