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Archiv-Artikel

Schweiz ohne Steuergeheimnis

SCHWARZGELD Die Eidgenossen fahnden öffentlich nach Steuersündern. Diese Vorschrift gibt es seit 2012, aber jetzt fiel sie auf – durch das Internet

Von UH
Die Schweiz publiziert die Namen von Steuersündern, damit sie protestieren können

BERLIN taz | Wer hätte das gedacht: Es gibt mehr als einen britischen Staatsbürger, der Keith Richards heißt. Es ist jedenfalls nicht der Rockstar, der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gesucht wird, weil er wahrscheinlich ein Geheimkonto in der Schweiz unterhielt. Der mutmaßliche Steuersünder ist rund vier Jahre älter als das Mitglied der Rolling Stones.

Derartige Erkenntnisse lassen sich gewinnen, weil die Eidgenössische Steuerverwaltung das Internet entdeckt hat. Auf der Homepage des Schweizer Bundesblattes werden Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit von Personen veröffentlicht, die die Eidgenössische Steuerverwaltung dringend kontaktieren will – von denen sie aber keine aktuelle Schweizer Adresse hat.

Der Anlass ist immer der Gleiche: Ausländische Staaten haben die Schweizer um „Amtshilfe“ ersucht und wollen Auskünfte, ob ihre Staatsbürger Geld in der Steueroase verstecken.

Es ist keineswegs neu, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung im Internet nach ausländischen Kontoinhabern fahndet. Aber lange fiel es kaum auf, denn das Schweizer Bundesblatt ist eine ziemlich dröge Lektüre und widmet sich ansonsten Themen wie der „Verfügung betreffend des Geldspielgerätes mit dem automatisierten Spiel SuperClub Version 05“.

Dieses allgemeine Desinteresse war plötzlich vorbei, als die Schweizer Sonntags-Zeitung am Wochenende einen Artikel mit dem Titel „Schweiz stellt Steuersünder an den Pranger“ publizierte. Danach rotierte die Erregungsmaschine. Diverse deutsche Länderfinanzminister kündigten an, dass sie den „Hinweisen aus der Schweiz nachgehen“ würden, um weitere deutsche Steuersünder auszumachen. Doch neue Steuersünder werden garantiert nicht gefunden. Die Eidgenossen wurden ja nur aktiv, weil sie Amtshilfe leisten sollten – deutsche Finanzämter also längst Verdacht geschöpft und die Schweiz angeschrieben hatten.

Für Steuersünder ist es nicht angenehm, sich im Internet wiederzufinden. Doch eigentlich ist diese Maßnahme fürsorglich gedacht. Die Schweiz will sicherstellen, dass jeder Kontoinhaber die Möglichkeit hat, gegen Anfragen aus dem Ausland Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen einzulegen. Daher schreibt das Schweizer „Bundesgesetz über internationale Amtshilfe in Steuersachen“ von 2012 vor, dass nach Konteninhabern öffentlich zu fahnden ist, falls keine Adresse vorliegt.

Einzige Neuerung: Früher nutzte man die Printausgabe des Bundesblattes, seit 2014 zunehmend die Onlineversion. UH