: Mehr Osten oder mehr Westen?
IDEEN FÜRS RATHAUSFORUM
Bis Jahresende ist noch Zeit. Dann will das Abgeordnetenhaus entscheiden, was mit der historischen Mitte geschehen soll. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hat in Vorbereitung auf eine Entscheidung das Volk gefragt. Man konnte sich online mit Vorschlägen beteiligen, 3.200 Berliner mischten sich ein. Die taz hat Mittwoch die lustigsten Vorschläge von Streichelzoo bis Ufo-Landeplatz präsentiert. Natürlich gab es auch brauchbare Ideen, was mit dem Areal passieren soll.
Der riesige Freiraum liegt seit mehr als zwei Jahrzehnten mehr oder weniger unverändert der Stadt schwer im Magen. So bleiben, wie es ist, soll das Relikt aus DDR-Tagen nicht, so viel ist klar. Ansonsten gibt es zwei Lager, wie früher in Ost und West geteilt.
Die Vorschläge aus dem Osten der Stadt wollen das Areal lassen, wie es ist, allenfalls aufhübschen und weiter begrünen. Die Ideen aus dem Westen der Stadt zielen auf eine Bebauung hin. Als Ideal gelten alte Bürgerhäuser.
Die Ostler haben eine andere Vorstellung von Stadt als die Westler, das ist historisch gewachsen. Boden war zu DDR-Zeiten Volkseigentum und im Grunde genommen nichts wert. Weil kein Spekulationsgegenstand, konnte sich der Staat mitten in einer Millionenstadt ein großes Areal als Grünanlage samt Denkmal leisten. Beim Palast der Republik war es ja ähnlich, dem war ein riesiger Platz vorgelagert, auf dem – wenn nicht aufmarschiert wurde – Busse parkten oder Rummel war. Diese Leerstelle ist verschwunden, das Stadtschloss wird die Lücke bald schließen.
Zum einen haben sich die Ostler gemerkt, wie hier mit ihrer Geschichte – Bewertung hin oder her – umgegangen wurde, sie wollen keine Wiederholung, deshalb soll das Rathausforum unverändert bleiben. Zum anderen wäre die Bebauung – ganz ähnlich dem Tempelhofer Feld – fatales Signal der fortschreitenden Verdichtung der Stadt, in der oft teurer Wohnraum entsteht.
Die Westler haben mit dieser Verdichtung keine so großen Probleme. Sie haben einen anderen Umgang mit dem städtischen Raum gelernt. Das ist alles nicht schlimm, erklärt aber die unterschiedlichen Ansätze.
Es gibt allerdings auch pragmatische, ganz unhistorische Gründe, es mit den Ostlern zu halten und den Platz einfach zu lassen, wie er ist: Weil immer noch mehr Touristen aus aller Welt nach Berlin kommen, gerade wegen der historischen Spuren. Und wegen des frischen Lüftchens, das oft nur auf großen Freiflächen weht – ein nicht zu unterschätzender Vorteil in einer Welt, die sich klimatechnisch immer weiter aufheizt.
ANDREAS HERGETH