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Archiv-Artikel

Festgefahren im Streit über Arbeitsmarkt und Rente

GRIECHENLAND Tsipras und Merkel sollen nun den gordischen Knoten der Verhandlungen lösen

Bundesfinanzminister Schäuble schließt sogar eine Staatspleite nicht mehr aus

BRÜSSEL taz | Im Schuldenstreit mit Griechenland zeichnet sich ein neuer Aufschub ab. Während Kanzlerin Angela Merkel warnte, eine Einigung müsse bis Ende Mai stehen, zieht die Eurogruppe in Brüssel offenbar eine Verlängerung des laufenden Programms bis in den Herbst in Betracht. Einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung wollte die EU-Kommission am Donnerstag nicht kommentieren. „Wir wollen das laufende Programm so schnell wie möglich abschließen, daran arbeiten wir“, sagte eine Sprecherin. „Wir werden nicht über andere Szenarien spekulieren.“ Das Programm läuft am 30. Juni aus. Bei den internationalen Geldgebern stehen noch 7,2 Milliarden Euro für Griechenland zur Verfügung.

Grund für die neuen Gedankenspiele ist der festgefahrene Streit über die Renten und den Arbeitsmarkt. Ein Teil der Gläubiger fordert, dass Athen die Renten weiter senkt und die Schutzstandards am Arbeitsmarkt lockert. Die griechische Linksregierung lehnt dies entschieden ab.

Ein Sprecher der Regierungspartei Syriza hat sogar den Gläubigern mit einem Zahlungsstopp gedroht. Es sei kein Geld mehr da, die am 5. Juni fälligen 300 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds IWF zurückzuzahlen. Dass es eng werden könnte, räumt mittlerweile auch Brüssel ein. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schließt sogar eine Staatspleite nicht mehr aus.

Einerseits braucht Athen dringend neue Hilfskredite, um seine alten Schulden zu bedienen – andererseits wollen die Gläubiger an ihren Reformplänen festhalten. Der Streit über Renten und Arbeitsmarkt könnte deshalb vertagt werden. Gleichzeitig könnte Griechenland einen Vorschuss erhalten, um den IWF auszuzahlen. Allerdings ist unklar, ob sich Premier Alexis Tsipras auf diesen Deal einlassen würde. Die umstrittenen Reformen wären damit ja nicht vom Tisch, sein Land wäre nicht dauerhaft gerettet. Gestern Abend traf er am Rande des EU-Gipfels in Riga Kanzlerin Merkel, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Überschattet wurden die Gespräche über einem Aufschub von Berichten, dass Athen kaum Fortschritte im Kampf gegen die Steuerhinterziehung mache. Aus einer Liste von 2.062 mutmaßlichen Steuerflüchtlingen wurden erst 49 geprüft und 31 Millionen Euro an Steuern eingetrieben, heißt es in einem Brief von Finanzminister Gianis Varoufakis an den SPD-Bundestagsabgeordneten Joachim Poß. Experten gehen davon aus, dass reiche Griechen Schwarzgeld von bis zu 40 Milliarden Euro im Ausland gebunkert haben. Die Liste liegt den griechischen Behörden allerdings schon seit fünf Jahren vor – auch die konservativen Vorgängerregierungen haben sie links liegen lassen. ERIC BONSE