: Raus aus der Distanz des Zuschauerraums
VIDEOPROJEKT Die Schauspielerfilme von „One on One on One“ versuchen, das Geschehen auf der Bühne im Netz erfahrbar zu machen – auch als Nachbereitung zu dem jetzt zu Ende gehenden Theatertreffen
VON MIRJA GABATHULER
Wenn dann am Sonntag in der Nacht mit Frank Castorfs „Baal“-Inszenierung vom Münchner Residenztheater zum Abschluss auch das 52. Theatertreffen Geschichte sein wird, bleibt zur Nachbetrachtung noch ein kleines und feines Onlineprojekt. Abseits der vollen Theatersäle und des Andrangs an den Abendkassen bei dem Gipfeltreffen der wichtigsten deutschsprachigen Inszenierungen der Spielzeit wurde es ins Leben gerufen. „One on One on One“ heißt das Projekt von Marcus Gaab und Jozo Juric.
Die drei Einsen im Namen sind Programm: Eine Kamera, ein Stück, ein Schauspieler oder eine Schauspielerin. Während in Berlin noch die Vorbereitungen für das Theatertreffen liefen, tourte der Berliner Fotograf und Regisseur Marcus Gaab durch Deutschland und Österreich und fing mit der Kamera für wenige Minuten ein, was die SchauspielerInnen für die Essenz des Stückes, in dem sie mitspielten, halten. Aus jeder beim Theatertreffen gastierenden Inszenierung entstand so ein eigenständiger Kurzfilm.
Zu sehen sind die Filme auf dem Blog der Berliner Festspiele und auf einer eigenen Homepage, wo sie über das Theatertreffen hinaus wenigstens einen Einblick in das Bühnengeschehen der vergangenen Wochen erlauben.
Zusammen mit Jozo Juric, der als PR-Agent in der Theaterszene gut vernetzt ist, setzte Marcus Gaab, der auch schon für das Zeit-Magazin und die New York Times Bildstrecken fotografierte, seine Idee zu diesem Projekt um. Das Theatertreffen vermittelte den beiden die Kontakte zu den SchauspielerInnen, der Kultursender 3sat übernahm teilweise die Reisekosten.
Die Energie des Spiels
Die Filme sollen die Stücke dabei weder dokumentarisch begleiten, noch in Konkurrenz zu ihnen treten. Vielmehr soll das, was auf der Bühne passiert, in die Sprache des Films übersetzen, erklärt Gaab beim Gespräch in seinem Kreuzberger Atelier.
Was ihn interessierte, war die Unmittelbarkeit und Energie des Spiels auf der Theaterbühne: „Es stellte sich die Frage, ob man diese Direktheit auch im Film transportieren kann.“
Dabei funktioniert das Medium Film doch in vieler Hinsicht anders als das Theater. „Im Film wird alles häppchenweise fürs Auge aufbereitet“, erklärt Gaab. „Im Theater dagegen muss man als Zuschauer ständig aufpassen. Auf der Bühne passiert etwa links und rechts gleichzeitig etwas, ähnlich wie bei einem Fußballspiel.“ Bei den üblichen Theateraufzeichnungen für das Fernsehen springe der Funken daher oft nicht so richtig über.
Über Gespräche und Improvisation entwickelte Gaab gemeinsam mit den SchauspielerInnen die Idee für den jeweiligen Film. Vor der Kamera waren den Mimen dabei gestalterisch keine Grenzen gesetzt. Die einzige Bedingung war: Ihr Auftritt musste eine Brücke zu der Rolle schlagen, die sie im Rahmen des Theatertreffens auf der Bühne spielten.
Die dabei entstandenen Filme rufen die ganze Bandbreite an filmischen Stilmitteln ab. Manche Akteure kommen gänzlich ohne Worte aus, wie Wolfram Koch, beim Theatertreffen in „Warten auf Godot“ des Deutschen Theaters dabei, der in Großaufnahme Grimassen schneidet. In anderen Filmen wird minutenlang nur gesprochen. Anna Maria Sturm verleiht bei ihrem Monolog dabei die Maske aus der Münchner Inszenierung „Warum läuft Herr R. Amok?“ eine gespenstische Aura. Manche Filme sind fantastisch-abgehoben, wie der mit Maja Beckmann zu „Das Fest“ des Schauspiels Stuttgart. Mit ihrem Schrei in einen Ventilator löst sie ein rätselhaftes Echo aus. Orit Nahmias lässt sich dabei filmen, wie sie auf einen ihrer Auftritte in der Gorki-Inszenierung „Common Ground“ reagiert, Aurel Manthei liefert einen tonlosen Kommentar zu den Diskussionen um Castorfs „Baal“.
Der intimere Blick
Die kurzen Filme des „One on One on One“-Projekts sind teilweise eine Verknappung, teilweise eine Erweiterung der Produktionen des Theatertreffens. Sie erlauben einen intimeren Blick auf die SchauspielerInnen, die man sonst nur aus der Distanz des Zuschauerraums sieht. Und fast alle diese Filme sind auf ihre Art eine Hommage an das Theater. Über die Verwendung von Masken und Schminke, Bretterböden und Spiegel bleibt die Bühnenwelt in ihnen präsent.
Damit sie dann auch der Wirkung des Theaters entsprechen, müsste man die Filme am besten gleich auf einer großen Kinoleinwand sehen. Es scheint kein Zufall zu sein, dass sie bereits in höchster Auflösung gedreht wurden.
Jozo Juric und Marcus Gaab hätten jedenfalls schon ein paar Ideen, was aus „One on One on One“ noch werden könnte: eine Installation vielleicht oder gar Teil der Eröffnungveranstaltung des nächsten Theatertreffens.
■ Zu sehen sind die „One on One on One“-Kurzfilme bei 1on1on1.tv