: Damit sich nicht alles um die Krankheit dreht
BENEFIZ Auch in der Charité-Tagesklinik für Kinder und Jugendliche mit HIV und Aids machen Spendengelder die Arbeit einfacher. Deshalb findet am heutigen Freitag eine Benefizgala statt
■ 35 Millionen Menschen auf der Welt leben mit HIV/Aids (Stand 2013). Schätzungsweise 80.000 davon in Deutschland, 15.000 in Berlin laut Robert-Koch-Institut.
■ Pro Jahr gibt es in Deutschland rund 3.000 Neuansteckungen. HIV ist nicht heilbar, inzwischen aber gut behandelbar und gleicht einer schweren chronischen Erkrankung. Aids, die ausgebrochene Krankheit, ist weiterhin tödlich.
VON GINA NICOLINI
Die Sonne bricht durch die jungen Blätter der Bäume vor dem Fenster und taucht eine große Kiste voller Spielsachen in warmes Licht. An den Wänden hängen bunte, selbst gemalte Bilder, in einem Regal an der Wand liegen Kinderjacken und Bücher. Der Untersuchungsraum ist liebevoll dekoriert mit Wandbildern, der Aufenthaltsraum lädt zum Spielen ein.
Die Tagesklinik für Kinder mit HIV und Aids am Virchow-Klinikum der Charité in Wedding erinnert eher an einen Kindergarten als an ein Krankenhaus. Dennoch wird hier in einer der wenigen Einrichtungen dieser Art in Deutschland wichtige medizinische Arbeit geleistet. Die Leiterin der Tagesklinik, Dr. Cornelia Feiterna-Sperling, erklärt: „Die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten sind so fortgeschritten, dass niemand mehr am HI-Virus sterben muss, wenn die Behandlung früh genug beginnt. Dafür sind wir da.“
Seit 1996 arbeitet Feiterna-Sperling an der Kindertagesklinik – kurz „T28“ genannt. „In unsere Klinik kommen Frauen, bei denen vor oder während der Schwangerschaft eine HIV-Infektion diagnostiziert wurde. Je früher wir mit der Behandlung der Mütter beginnen, desto geringer ist die Chance, dass sich das Kind während der Geburt mit dem Virus infiziert,“ erläutert Feiterna-Sperling. Häufig ließe sich die Übertragung von der Mutter auf das Kind vermeiden. 2013 gab es in ganz Deutschland weniger als 10 Fälle solch einer Übertragung.
Flüchtlingsfamilien
In den letzten Monaten hatten es Feiterna-Sperling und ihr Team dagegen mit einer neuen Herausforderung zu tun. Immer mehr HIV-positive Kinder aus Flüchtlingsfamilien kommen zum Klinikum am Augustenburger Platz und benötigen die medizinische Fachkenntnis der MitarbeiterInnen der Kindertagesklinik. Die sei oft die erste medizinische Anlaufstelle, besonders für Familien aus Afrika, wenn sie in Berlin ankommen. Johanna Gimm, Sozialarbeiterin auf der Station, erklärt: „Viele sprechen kein Deutsch und sind völlig überfordert und gestresst. Diese Menschen aufzufangen und zu beruhigen gehört genau so dazu wie die körperlichen Untersuchungen.“
In den letzten zehn Jahren hat sich die Arbeit in der Tagesklinik stark gewandelt. Stand früher noch die medizinische Betreuung und vor allem das begleitete Sterben im Vordergrund, liegt das Augenmerk der MitarbeiterInnen nun vermehrt auf der psychosozialen Betreuung der PatientInnen. „Unsere Arbeit beschränkt sich nicht nur auf die medizinische Versorgung der Mütter und Kinder, wie zum Beispiel Blutkontrollen oder das Röntgen der Lunge, die bei HIV besonders anfällig für weitere Infektionen ist,“ erklärt Gimm. Es gehe vor allem darum, die Kinder auf ein Leben mit dem Virus vorzubereiten.
Denn obwohl viele PatientInnen mittlerweile nur noch eine Tablette am Tag nehmen müssen, um das Virus in Schach zu halten, gilt eine HIV-Infektion nach wie vor als ein Stigma. Vor allem, wenn die Jungen und Mädchen in die Pubertät kommen, steht ihnen das Team zur Seite, bis sie volljährig sind.
„Erwachsen werden ist für alle schwierig. Mit HIV ist es noch etwas anstrengender“, sagt Gimm. Denn die erste Liebe kommt bestimmt, und der Partner oder die Partnerin muss über die HIV-Infektion aufgeklärt werden. Wie sage ich es dem anderen? Wie verhüte ich? Und was mache ich, wenn ich selbst Kinder haben möchte? Fragen, die Gimm, Feiterna-Sperling und die anderen im Team immer wieder beantworten müssen.
Dass sich dann aber nicht immer alles nur um die Krankheit dreht, sollen Töpferkurse sorgen oder Graffitiworkshops. Auch Ausflüge mit den Kindern werden organisiert und Fahrten im Sommer. „Wir möchten den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich auszutauschen und eine unbeschwerte Zeit zu verbringen“, erklärt Johanna Gimm.
Auf Spenden angewiesen
■ Die „remember me“-Benefizshow zugunsten der HIV-Kindertagesklinik T28 findet am heutigen Freitag im Rahmen des 5. Berliner Candlelight Memorial in der Forum Factory, Besselstraße 13, statt. Um 18.30 Uhr gibt es einen Sektempfang, um 19.30 startet die Show. 18 Euro Eintritt, Karten: info@candlelightmemorial.de
Häufig aber reichen die finanziellen Mittel der Eltern nicht aus, um ihren Kindern einen Urlaub zu ermöglichen. In solchen Fällen hilft die Tagesklinik den Familien Gelder über Stiftungen zu erhalten. An Weihnachten gibt es ein Fest für die PatientInnen. Die Raummiete, das Catering, Geschenke für die Kleinen, all das kostet Geld. „Wir möchten den Kindern etwas Gutes tun,“ sagt Gimm. „Deshalb sind wir dringend auf Spenden angewiesen.“
Deswegen ist man in der Tagesklinik froh über einen wie Bernhard Butler. Bereits zum dritten Mal veranstaltet der Musiker ein Benefizkonzert zu Gunsten der Kindertagesklinik. „Ein abwechslungsreiches Showprogramm aus Pop, Comedy, Musical, Performance und Chanson“ soll es sein, verspricht Butler. Außerdem haben Betroffene bei der Veranstaltung am 15. Mai in der Kreuzberger Forum Factory die Möglichkeit, vor den Gästen zu sprechen.
Als der seit Anfang der Neunziger in Deutschland lebende US-Amerikaner vor fast 30 Jahren seine Homosexualität entdeckte, kam er auch mit dem Thema HIV und Aids in Kontakt. Seitdem kämpft er für den offenen Umgang mit einer Krankheit, die immer noch tabuisiert ist.
Butlers Benefizkonzert findet anlässlich des „Candlelight Memorial“-Wochenendes statt, bei dem Betroffene und Angehörige weltweit mit Fackelzügen aufs Thema aufmerksam machen. Seit fünf Jahren nun auch in Berlin. SchirmherrInnen des Konzerts sind die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) und der Bürgermeister von Mitte, Christan Hanke (SPD).
„Wir freuen uns sehr, dass Bernhard Butler auch in diesem Jahr wieder ein Konzert für uns veranstaltet“, sagt Feiterna-Sperling von der Tagesklinik. „Mit dem Geld, das durch die Spenden eingenommen wird, können wir den Kindern und Jugendlichen eine zusätzliche Freude machen, für die wir sonst kein Geld hätten“, ergänzt Gimm.