: Besonnen, maßvoll und fein
NEU Das Album „Insides“ des Londoner Produzenten Fort Romeau glänzt mit sphärisch zarten Melodie- und Akkord-Arrangements
Verfeinert, tief, achtsam – möchte man den Sound des Londoner Produzenten Fort Romeau beschreiben, so greift man schnell zu einem Wortschatz, der sich eher mit buddhistischer Meditation als mit House-Sound beschäftigt. Als „Slow Listening“ bezeichnet Fort Romeau selbst sein musikalisches Konzept.
Ein Glimmen aus hellen, hohen Töne, die in der Lautstärke changieren, verknüpft mit einem dezenten, rhythmischen Klopfen. Damit beginnt Fort Romeau sein neues Album „Insides“. Plötzlich drängt ein funkiger Bass in den Anfangstrack und während dieser sich weiter durch das Arrangement bläht, flirren im Hintergrund Flöten zu einem sanften Rauschen zusammen. Das Flötenrauschen bleibt, auch nachdem Bass, Synthesizer und Klopfen langsam im Nichts versunken sind.
Dieser harmonische Track mit Titel „New Wave“ ist programmatisch: Schon zu Beginn seines Albums zeigt Fort Romeau, was in den folgenden 60 Minuten von „Insides“ kommen wird: sphärisch zarte Melodie- und Akkord-Arrangements, dezente Beats und funky Bässe.
Europäische Linie
Mike Greene heißt der Autor dieses Sounds mit bürgerlichem Namen, in London geboren, in London lebend. Das hört man seinem feinen House an, der sich in seiner Zurückhaltung eher einer europäischen Linie dieses elektronischen Stils einordnet. Greenes Tracks auf seinem nunmehr zweiten Album sind keine Instant-Hits, wie sie die ursprüngliche Chicago-House einst offerierte, sondern können sich auch bis zu stattlichen vierzehn Minuten ziehen. Sie sind feine Gewebe, in die Mark Greene langsam unterschiedliche Sequenzen fädelt.
Frankophil scheint Greene auch zu sein, nicht nur sein Künstlername, auch die Tracks sind gern französisch betitelt. „Folle“ etwa, was wohl das deutsche „verrückt“ sein soll, ist so ein Beispiel. Sein Sound ist simpel, auf Claps und ein paar groovige Basslinien geht er zurück. Nur punktuell fügt Fort Romeau Synthie-Patterns hinzu, die mal nach den Elektroexperimenten aus den Siebzigern und mal nach der Sphärik von Enigma aus den Neunzigern klingen, bis er schließlich einen, ja vielleicht etwas verrückten Hybridklang aus rauchig-hoher Frauenstimme und Orgel dazugibt.
Ein Understatement ist Fort Romeaus Handschrift. „Insides“ ist besonnen, maßvoll und fein. Doch bevor das Album gänzlich in eine Zen-artige Versenkung taucht, trumpft Greene mit Brüchen auf. Eine schmerzhaft vibrierende Synthie-Melodie lässt er in das Klangbett des titelgebenden Tracks dringen. Verzerrt und ungestimmt läuft sie gegen die Tonlage. Dazu ein plötzlicher Breakbeat.
Nur einmal setzt Greene diese Art der Klangmissbildung im Album ein, und gerade in dieser geringen Dosis ist sie super. Mit Glockenklängen schließt Fort Romeau seinen weichen Soundtrip ab. Unweigerlich muss man bei dem Finale „Cloches“ an den Master of the Cloches überhaupt, Pantha du Prince, denken. Auch der Pantha hat eine Affinität fürs Französische und ebenso wie Fort Romeau würde er diese hellen, langen Basslinien mit rasant bimmelnden Glocken, wenn nicht Glockenwölkchen, zusammenbringen. Doch nur in Sequenzen erinnert „Cloche“ an den Pantha du Prince. In anderen Teilen im Finale ist Fort Romeau wieder Fort Romeau und als solcher beendet er auch sein Album. SOPHIE JUNG
■ Fort Romeau: „Insides“ (Ghostly International/Cargo)
■ Live: 16. Mai, Panorama Bar, Berlin