Training auf schwierigem Terrain

NORDIRAK Die Bundeswehr bildet Peschmerga für den Einsatz gegen den IS aus. Das hat politische Folgen in einem zerfallenden Staat

„Das ist der deutsche Einsatz, hinter dem man definitiv steht“

MAJOR ROBERT

AUS ERBIL BENJAMIN HILLER

In einem der vielen Vororte von Erbil, der kurdischen „Hauptstadt“ des Autonomiegebietes im Nordirak, befindet sich das Ausbildungszentrum KTCC, das Kurdistan Training Coordination Center. Knapp 80 Bundeswehrsoldaten spielen eine zentrale Rolle im KTCC und bei der Ausbildung selbst.

Die Strukturen erscheinen komplex und unübersichtlich: Das KTCC ist dem US Centcom, dem Militärkommando für den Nahen und Mittleren Osten, untergeordnet, und die deutschen Schießausbilder sind zum Teil in britische Militäreinheiten integriert. Die Auswahl der kurdischen Soldaten, der Ausbildungsthemen wie auch die Verteilung der deutschen Waffenlieferungen wird hingegen von dem Ministerium für die Peschmerga, die kurdischen Kämpfer, vorgegeben. Letztlich ist die Bundeswehr hier nur ein Dienstleister, der keine echte Kontrolle über das Endergebnis der Ausbildung und den Einsatz der Peschmerga hat.

Dennoch ist der Gebirgsjäger Major Robert von der Mission überzeugt: „Das ist der deutsche Einsatz, hinter dem man definitiv steht. Bei dem Kampf gegen den IS stellt sich die Frage für mich nicht. Der Einsatzgrund ist sehr klar, die Grausamkeit des Feindes nicht zu übertreffen. Bei diesem Einsatz sagen hundert Prozent unserer Soldaten, dass er richtig ist.“

Auch die Peschmerga – mittlerweile wurden knapp 1.000 von ihnen ausgebildet und die nächsten 500 Kämpfer haben gerade mit ihrem Training angefangen – fühlen sich geehrt, wenn sie ausgewählt werden. Es wird schnell deutlich, dass die einst so gefürchteten Guerillakämpfer diese Grundausbildung in Erster Hilfe und strategischer Kriegsführung dringend brauchen. Viele der Kämpfer sind in den vergangenen Wochen wegen fehlerhaften militärischen Strategien oder mangelnder Rettungsketten gestorben. Tote, die im Kampf gegen die Dschihadisten des IS vermeidbar gewesen wären.

Während die Peschmerga voller Motivation das Training in der sommerlichen Hitze beginnen und die Ausbilder noch immer versuchen, den Ausbildungsplan zu verbessern, drängen sich Fragen auf: Was ist das Ziel der Ausbildung? Wer kontrolliert die Waffenlieferungen und wer bestimmt, wer in das Programm aufgenommen wird? Denn hinter dem Begriff „Peschmerga“ verbirgt sich eine komplexere Realität.

Die beiden stärksten Parteien, die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und die Patriotische Union Kurdistans (PUK), haben jeweils ihre eigenen Peschmergaeinheiten. Das Trainingscenter in Erbil liegt im Hoheitsgebiet der KDP, auch die Waffen kommen am Flughafen in Erbil an. Entsprechend hat die PUK immer wieder verlauten lassen, dass ihre Peschmerga vernachlässigt werden. Auch wenn Oberst Jochen Schneider, der erste Kommandeur der internationalen Ausbildungs- und Koordinierungsmission im Nordirak, versucht, diese Spaltung zu überwinden, hat die internationale Militärkoalition gegen den IS keinerlei echten Einfluss darauf.

Die Sprachregelung der Bundeswehr zeigt, wie man versucht, solche Fallstricke zu umgehen. So werden die Peschmerga als „irakische Sicherheitskräfte“ bezeichnet, was den Kurden nur ein müdes Lächeln abringt. Das Ausbildungsprogramm, welches wohl auf mehrere Jahre ausgelegt ist, trainiert zwar die Kurden im Kampf gegen den IS, stärkt aber zugleich die kurdische Autonomie und damit auch den Kampf für einen eigenen Staat.

Denn durch die Professionalisierung der Peschmerga, insbesondere auf der Führungsebene, entsteht eine Armee, die unabhängig vom irakischen Staat die eigenen kurdischen Interessen vertreten wird. Denn Schritt für Schritt bewegt sich der Irak in Richtung einer völligen Fragmentierung. Alle ethnischen und religiösen Gruppen haben mittlerweile ihre eigenen Milizen aufgebaut. Ein erneuter innerkurdischer Konflikt wie Mitte der 1990er Jahre wird derzeit noch durch den gemeinsamen äußeren Feind IS verhindert. Dennoch plant die internationale Koalition schon für die Zukunft: Das KTCC-Zentrum am Flughafen Erbil nimmt immer mehr Gestalt an und erinnert an die großen Militärbasen in Afghanistan. Und im nächsten Schritt wollen die USA versuchen, eine neue Luftwaffenbasis in Kurdistan-Irak zu errichten, um damit unabhängiger von der gegenwärtigen türkischen Politik zu werden.