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Archiv-Artikel

Bürger gemeinsam gegen Gewalt

REAKTION Hunderte demonstrieren gegen Rassismus

NEW YORK taz | Am Mittwochmorgen machen die Schulen wieder auf. Die Scherben im Stadtteil Penn North sind zusammengekehrt und die ausgebrannten Geschäfte sind aufgeräumt. Baltimore ist „stabil“, erklärt Polizeichef Anthony Batts am frühen Morgen. 3.000 zusätzliche Uniformierte – darunter 2.000 Militärs von der Nationalgarde des Bundesstaats Maryland – waren in der zurückliegenden Nacht auf der Straße. Dazu gepanzerte Militärfahrzeuge und Hubschrauber über der Stadt.

Dennoch trotzten Hunderte Menschen der nächtlichen Ausgangssperre. Sie demonstrierten bis tief in die Nacht, in kleineren Gruppen, friedlich, gegen Polizeigewalt und und alltäglichen Rassismus. Unter den DemonstrantInnen waren junge und alte, schwarze und weiße Leute sowie auffallend mehr Frauen als in der Vornacht.

Wem ist die Rückkehr zum brüchigen Frieden in Baltimore zu verdanken ? Die Behörden glauben, dass die nächtliche Ausgangssperre, die die demokratische Bürgermeisterin von Baltimore und der republikanische Gouverneur von Maryland gemeinsam verhängt haben, sowie der massivste Polizeieinsatz in der Stadt seit 1968 Wirkung gezeigt hat. Doch in Penn North und rund um das Einkaufszentrum Mondawmin, wo in der Nacht auf Dienstag geplündert worden war, hat ein massiver Einsatz von Community-AktivistInnen stattgefunden.

Die Ohrfeige

Hunderte von Kirchenleuten gingen auf die Straße. Untergehakt und mit politischen Slogans gegen den Rassismus hatten jene, die sonst konkurrieren, gemeinsam demonstriert. Am Dienstag organisierten sie ein Treffen in einer Megakirche. Dort trugen Hunderte AnwohnerInnen von Penn North ihre Klagen über Polizeibrutalitäten vor und stimmten sich darauf ein, weitere Ausschreitungen zu verhindern.

Kurz vor Beginn der Ausgangssperre um 22 Uhr holten AktivistInnen die Minderjährigen von der Straße. Später stellten sie sich zwischen DemonstrantInnen und Polizei und beruhigten wütende jungen Männer. „Ich liebe Baltimore“, skandierten sie. Manche trugen Transparente mit der Aufschrift: „Schwarze Leben zählen“.

Unterdessen haben die Medien in Toya Graham eine Heldin gefunden. Die Mutter ohrfeigte ihren 16-jährigen Sohn in der Nacht auf Dienstag vor laufenden Kamera, als er einen Stein werfen wollte. „Er ist mein einziger Sohn“, sagte sie, „ich will nicht, dass er der nächste Freddie Gray wird.“

Dem 25-jährigen Freddie Gray wurde vor zwei Wochen in Polizeigewahrsam in Baltimore das Genick gebrochen. Am Freitag will die Polizei ihren mit Spannung erwarteten internen Untersuchungsbericht vorlegen.

DOROTHEA HAHN