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Archiv-Artikel

„Der Punkt sieht aus wie eine Träne. Oben spitz und unten rund“

AKUPUNKTUR Was ist der Punkt in der Akupunktur? Und wie kommt er eigentlich da rein?

Kirsten Herden

■ ist Heilpraktikerin und Akupunkteurin. In ihrer Praxis „Perle“ in Potsdam bietet sie auch schamanistische und homöopathische Therapien an. Infos: ph-herden.de

taz: Frau Herden, wie finden Sie den wunden Punkt?

Kirsten Herden: Es gibt vorgegebene Punkte, die durch die Anatomie des Körpers festgelegt sind. Um sie zu finden, gibt es eine Maßeinheit, die Cun heißt. Um also die Position eines Punktes zunächst grob bestimmen zu können, brauche ich die Information, wie viel Cun der Punkt beispielsweise von der Handgelenkfalte entfernt liegt.

Woher wissen Sie, an welchen Punkt Sie kommen wollen?

Alle Punkte liegen auf verschiedenen Meridianen, also Energieleitbahnen, die über den Körper fließen. Die kenne ich eben. Ich frage dann den Patienten aus und drücke mit dem Daumen auf die Stelle, von der ich glaube, dass sie ein Punkt sein könnte. Und dann frage ich den Patienten, ob er etwas fühlt.

Wie fühlt sich denn ein Punkt an?

Ganz verschieden. Manche Punkte fühlen sich wie ein elektrischer Schlag an.

Den bekommen Sie oder der Patient?

Beide. Wenn ich mit dem Finger über den Meridian streiche und treffe auf einen Punkt, rutsche ich in ihn hinein. Es zieht mich magisch in den Punkt rein. Es ist, als würde ich in ihn reinfallen wie in ein Loch. Das nennt man Tsubo.

Der Punkt ist also nicht gefüllt, sondern leer?

Ja, er ist so eine Art Ausbuchtung oder Behälter. So wie ein Samenkorn oder Haarwurzeln, so liegen auch die Akupunkturpunkte in einer kleinen Vertiefung. Wenn ich diesen Punkt gefunden habe, markiere ich den und steck die Nadel in ihn rein.

Und was macht die Nadel mit dem Punkt?

Sie energetisiert ihn. Das Ziel der gesamten Akupunktur ist es ja, dass die Lebensenergie wieder in Fluss kommt. Die Nadel löst also Blockaden und führt da Energie hin, wo zu wenig ist, und leitet sie dort ab, wo es zu viel von ihr gibt.

Sind die Punkte so klein wie die Nadel?

Nein. Sie müssen sie sich eher wie eine Träne vorstellen, oben sehr klein, und nach unten verbreitern sie sich.

Sind alle Punkte gleich groß?

Nein. Das Areal eines Punktes kann unterschiedlich groß sein. Es gibt keine Normpunkte. Und natürlich ist der Punkt nicht da, wo die Spitze der Stecknadel reintrifft. Und je tiefer man unter die Haut geht, desto größer wird er.

Wie kam der Punkt eigentlich in die Akupunktur, wenn er gar kein Punkt ist?

Wenn ich das mal wüsste.

Wenn Sie einen gepunkteten Bikini sehen oder ein gepunktetes Kleid, denken Sie dann an die Punkte, die Sie jeden Tag suchen?

Nein. Aber wenn ich jetzt einen Bikini mit Linien sehen würde, dann schon eher. Dann würden mir die Energieleitbahnen, die Meridiane, direkt vor Augen kommen. Es geht ja eher um die gesamte Energie, um den Kreislauf.

Ihr Punkt läuft also im Kreis?

Nein. Der Punkt hat mit dem Kreis nichts zu tun. Er ist eher eine Höhle.

INTERVIEW DORIS AKRAP