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Archiv-Artikel

„Eiszeit ist nicht aufholbar“

UMWELT Eine Exkursion in die Bille-Siedlung vergleicht natürliche und sanierte Böden

Von PS
Claudia Fiencke

■ 41, ist Mikrobiologin und Bodenökologin, arbeitet seit 2003 am Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg.

taz: Frau Fiencke, was macht den Boden in der Bille-Siedlung in Moorfleet so interessant?

Claudia Fiencke: Dort hat man nach dem Zweiten Weltkrieg eine Siedlung auf einer Deponie gebaut, die belastete Sande und Schlicke enthielt. Das wusste man in den 1950er-Jahren nicht. Erst Ende der 1980er-, Anfang der 1990-Jahre hat man festgestellt, dass das Gebiet so schwer belastet war, dass es saniert werden musste. Ein Teil ist trotzdem nicht mehr bewohnbar.

Warum nicht?

An diesen Stellen wurde ein alter Elbarm ausgehöhlt, in dessen Untergrund organische Materialien – Schilfe, Pflanzen – luftdicht abgeschlossen verwesten. So entstanden Methangase, die sich in hohen Konzentrationen in den Kellern sammeln, was explosionsgefährlich ist.

Womit war der Nachkriegsboden belastet?

Mit Schlicken, die man aus der Elbe geholt hatte, um Land zu gewinnen. Sie enthielten Arsen, Kadmium und Dioxin. Außerdem hat man bei Bauarbeiten bemerkt, dass dort auch Öl und anderer Müll im Boden war.

Und was interessiert Sie an diesem Boden?

Unter anderem – und davon handelt auch die heutige Exkursion –der Unterschied zwischen natürlichen und sanierten, also menschengemachten Böden. Wir werden drei Grabungslöcher im Bille-Gebiet und eins außerhalb ansehen. Es ist ein großer Unterschied: Der natürliche Boden stammt aus der letzten Eiszeit, hatte also 10.000 Jahre, um sich zu entwickeln. Daran reicht der sanierte Boden nicht heran.

Warum nicht?

Weil man diese vielen Jahre, in denen sich organische Substanzen entwickeln und Nährstoffe bilden konnten, nicht aufholen kann. Und weil menschengemachter Boden zum Beispiel eine viel dünnere Humusschicht hat. Abgesehen davon ist Sanieren eine enorme Kostenfrage.

Das heißt?

Dass es nicht immer ganz exakt durchgeführt wird. Nicht überall in der Bille-Siedlung ist der zum Beispiel belastete Schlick ganz entfernt worden. Wenn die Wurzeln einer Gemüsepflanze 50 Zentimeter in die Tiefe reichen, kann sie die Schadstoffe durchaus aufnehmen. Andererseits gibt es in der Bille-Siedlung auf kleinem Raum sehr verschiedene Böden. An einigen Stellen liegt eine dicke Schicht Bauschutt, an anderen nicht. Und bis ins Detail kartiert ist das nicht.

INTERVIEW: PS

Treffpunkt zur öffentlichen Exkursion „Gedächtnis unserer Böden“: 10 Uhr, Vorlandring 16 (Parkplatz am Golfplatz der Bille-Siedlung)