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Archiv-Artikel

Starker Rechtsdrall in Helsinki

FINNLAND Die Liberalen gewinnen die relative Mehrheit. Die „Wahren Finnen“ schaffen sogar Platz zwei. Überraschend gut schlagen sich die Grünen. Die Sozis verlieren klar

Der Wahlsieger Juha Sipilä hält die Wahren Finnen für einen guten Regierungspartner

VON REINHARD WOLFF

STOCKHOLM taz | Finnlands künftiger Regierungschef Juha Sipilä lässt sich nur schwer aus der Reserve locken. „Also ich glaube, wir könnten gewonnen haben“, sagte er mit dem ihm eigenen Understatement am Sonntagabend vor jubelnden AnhängerInnen auf der Wahlparty seiner Zentrumspartei in Helsinki. Wobei dieser Gewinn eigentlich nie in Frage stand. Auch wenn der Sieg mit 21,3 Prozent etwas geringer ausfiel als erwartet, konnte die liberale Partei ihren vor vier Jahren erlittenen massiven Verlust teilweise wieder gutmachen und 49 der 200 Sitze im Parlament einnehmen.

Das Zentrum löste damit die Konservativen des bisherigen Ministerpräsidenten Alexander Stubb, die um 2,2 Prozentpunkte auf 18,2 Prozent zurückfielen, als stärkste Partei ab. Mit 37 Mandaten gewann diese aufgrund des Wahlsystems trotz einiger Zehntel mehr an Stimmen einen Sitz weniger als die rechtspopulistischen Wahren Finnen. Die schrumpften zwar um 1,3 Prozentpunkten auf 17,6 Prozent, werden im neuen Reichstag mit 38 Mandaten statt bislang dritt- nun sogar zweitstärkste Kraft sein. Damit habe man bewiesen, dass man keine Eintagsfliege sei, sondern einen festen Platz unter den „großen Vier“ der finnischen Politik einnehme, trompetete ihr Vorsitzender Timo Soino: „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“

Und die Wahren Finnen könnten auch erstmals Regierungspartei werden. Zumal die Sozialdemokraten mit einem Minus von 2,6 Prozentpunkten auf 16,6 Prozent und dem schlechtesten Resultat ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte nur auf dem vierten Platz landeten. Noch in der Wahlnacht bezeichnete ihr Vorsitzender Antti Rinne, bislang Finanzminister in einer von den Konservativen geführten Vierparteienkoalition, eine Regierungsmitarbeit als „unwahrscheinlich“: die Partei solle sich in der Opposition regenerieren.

Der designierte Ministerpräsident Juha Sipilä macht kein Geheimnis daraus, dass er die Wahren Finnen, mit denen sich das Zentrum in den vergangenen vier Jahren die Oppositionsbank teilte, für einen geeigneten Regierungspartner hält. Beide Parteien prägt eine weitgehende EU- und Euro-Skepsis und man vertritt ähnliche wertkonservative Standpunkte – etwa bei der Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen. Auch gibt es viel Übereinstimmung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik: Dem wachsenden Staatsdefizit will man mit relativ moderaten „Reformen“ begegnen, bei denen der Sozialsektor möglichst wenig beschnitten werden soll. Und über eine „arbeitsmarktpolitische Partnerschaft“, bei der die Gewerkschaften auf Lohnerhöhungen verzichten und die Arbeitgeber Arbeitsplätze garantieren, hofft man mithilfe eines Stimulanzprogramm die stark gestiegene Arbeitslosigkeit stoppen und einen Weg aus der Wirtschaftskrise finden zu können.

Die offene Fremdenfeindlichkeit, für die weite Teile der Wahren Finnen stehen, wird dabei von möglichen Koalitionspartnern gern als „Nebensache“ abgetan. Klar sei die Partei populistisch, meint etwa Sipilä, aber ansonsten „doch ganz vernünftig“.

Sollte es wider Erwarten keine Einigung der drei stärksten Fraktionen geben, könnten auch die kleineren Parteien als Koalitionspartner in Frage kommen. Neben der liberalen Schwedischen Volkspartei (4,9 Prozent) legten vor allem die Grünen zu und erzielten mit einem Plus von 1,3 Prozentpunkten auf 8,5 Prozent ihr bislang bestes Reichstagsresultat. In Helsinki wurden sie mit 18,8 Prozent sogar zweitstärkste Partei. Mit dem in der Türkei geborenen Ozan Yanar stellen die Grünen auch einen von zwei Abgeordneten mit Migrationshintergrund, die erstmals ins finnische Parlament gewählt wurden. Die zweite ist die aus Afghanistan stammende Sozialdemokratin Nasima Razmyar.

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