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Archiv-Artikel

AbschiedsredeDer Retter mit dem Rennrad

Chef, genialischer Wirtschafter und Radfahrer: Albrecht Lampe, der Kurator der Hochschule Ottersberg, wird RuheständlerABSCHIED & DANK Albrecht Lampe hört auf – nachdem er die Ottersberger Fachhochschule für Kunst und 15 Jahre zuvor bereits die taz bremen vor dem Ruin bewahrt hat. So etwas kann nur außergewöhnlichen Menschen gelingen

Burkhard Straßmann

■  Reporter bei Die Zeit, war Redakteur der taz bremen, als Albrecht Lampe ihr Geschäftsführer war – und ist ihm an der Fachhochschule Ottersberg wiederbegegnet, wo er vergangenes Jahr als Pressesprecher gearbeitet hat. In dieser Funktion verfasste er die Rede.

EINE REDE VON BURKHARD STRAßMANN

Wenn Albrecht Lampe eine Rede hält, kann man sicher sein, dass mindestens ein Zitat aus seinem guten alten Herders Konversationslexikon von 1905 darin vorkommt. Schlägt man bei Herder unter „Kurator“ nach, findet man, ein „Kurat“, sei ein „Seelsorgegeistlicher“. Das mag zutreffen oder nicht – da gehen die Meinungen auseinander. Ein „Kurator“ selbst ist laut Herder der „Vertreter einer Stiftung oder einer Kasse“.

Hier irrt Herders Konversationslexikon definitiv. Es wäre ja auch zu schön! In Wirklichkeit musste Albrecht Lampe immer den Kassen und Stiftungen hinterherlaufen. Er vertrat nicht das Geld, sondern er jagte es.

Geld jagen – das tat er fast immer gern und ohne Murren. Diese Tätigkeit ist schon früh in seinem Leben zu einer Art zweiter Natur geworden. Als Sohn eines armen Schneiders musste er der nicht immer zahlungswilligen Kundschaft bei Lieferung des neuen Gehrocks das vereinbarte Geld entlocken. Was ihm dank seiner sensationellen Mischung aus Charme und Hartnäckigkeit meist gelang.

Später dann, als Teppichverkäufer, half ihm das abgrundtief Gute, das jeder sieht, der ihm in die Augen blickt. Regelmäßig gelang es ihm, auch Ladenhüter zu verkaufen. Die Prämien, die sein Chef dafür verteilte, waren seine Belohnung. Mit der Qualifikation, durch einfaches Reden nicht nur Steine, sondern sogar Pfeffersäcke zu erweichen, rettete er später im Leben eine kleine Zeitung in Bremen namens taz vor dem Ruin. Wollte jemand Geld von der taz, verhandelte Albrecht Lampe einfach so lange, bis der Verhandlungspartner aufgab. Stehende Redewendung: „Ich habe verhandelt, und dann mussten wir nichts mehr zahlen.“

Vor 15 Jahren verließ Albrecht Lampe die taz, um den Nächsten zu retten, eine kleine Hochschule im Grünen zwischen Bremen und Hamburg: die Fachhochschule Ottersberg. Hier wurde ihm einmal – es war nach dem Hallenneubau jenseits der Bundesstraße – vom Architekten feierlich ein Rechenschieber überreicht. Der Architekt wollte damit den einzigen ihm bekannten Bauherrn auszeichnen, der seinen Kostenrahmen einhält.

Leiden mussten nur Zulieferer und Handwerker, die seinem Verhandlungsgeschick zum Opfer fielen. Doch hinter der harten Verhandlungsfassade verbarg sich bei Albrecht Lampe keinerlei böse Absicht. Er identifizierte sich eben zu 100 Prozent mit seiner Hochschule. Nebenbei hasste er allerdings auch Zinsen. Wenn er sie zahlen musste.

Doch Erfolg bei der Geldhatz macht noch lange keinen guten Chef aus. Die Verwaltungsleute profitierten davon, dass Albrecht Lampe nie laut wird. Immer hält er den Ball flach. Er beherrscht die hohe Kunst, gleichzeitig eine flache Hierarchie zu predigen und doch die Fäden in der Hand zu halten. Wer Albrecht Lampe in einem tieferen Sinne verstehen will, muss akzeptieren, dass er mehr als ein guter Wirtschafter und Chef ist – er ist Fahrradfahrer. Unvergessen, wie er einst als neuer Chef die erste Zeit mit dem Rad aus Bremen nach Ottersberg kam. Erschöpft und verschwitzt erreichte er seinen Arbeitsplatz. Dann musste er erst einmal in dem Raum, im dem heute die zentralen Hochschulcomputer arbeiten, duschen. Mit kaltem Wasser.

Albrecht Lampe ist nicht nur Fahrradfahrer; er ist Rennradler. Er ist bei Rennen mitgefahren und war schon bei der Tour de France dabei. Leider nur als Zuschauer. Privat, zu Hause, tut er übrigens das Gegenteil von Radfahren – er macht Räder kaputt. Immer, wenn ihm einer der Hausmeister mal wieder ein Schrottrad gibt, beginnt der Kurator, es zu zersägen, Teile neu zu verschweißen und zu polieren. Am Ende kommen Salzstreuer, Korkenzieher und immer wieder Lampen heraus (LAMPEN!). Meist waren das Geschenke für Helga, seine großartige Frau.

Als Rennradler verbindet den Kurator natürlich einiges mit Ikky. Ikky Bülow ist die Mensa-Köchin. Ein Rennradler muss stets auf seinen Kalorienspiegel achten, dauernd droht Unterzuckerung. Mittags musste Albrecht Lampe täglich in der Mensa seinen Blutzuckerspiegel korrigieren, und es ist schwer vorstellbar, wie er im Ruhestand zu seinen Kohlehydraten kommt.

Allerdings fügte Ikky dem Kurator auch eine seiner größten Niederlagen bei. Die natürlichen Feinde der Radfahrer sind Hunde. Ikky aber bringt nicht nur einen Hund zur Arbeit mit, sondern auch noch eine Dogge. Und oft nicht nur eine, sondern mehrere Doggen. Bis zu fünf dieser Riesenkälber wurden im Bereich der Mensa gezählt. Die Grenzen seiner Macht – hier wurden sie für Albrecht Lampe spürbar.

Jetzt aber kommt der Ruhestand. Albrecht Lampe wird hemmungsloser denn je Rad fahren. Außerdem startet er, wie man hört, eine dritte Karriere: als Schauspieler. Er nimmt unsere besten Wünsche dafür mit. Was er auch mitnimmt: den Titel „Kurator“.

Seinen Nachfolger schmückt ab jetzt die blasse Bezeichnung „Geschäftsführer“. Das macht insofern Sinn, als „Kurator“, auch das steht in Herders Konversationslexikon, noch eine weitere Bedeutung hat: „Vertreter einer geschäftsunfähigen Person“. Geschäftsunfähig ist die Fachhochschule Ottersberg, nach 15 Jahren Albrecht Lampe, nicht mehr. Danke, Kurator!