: Tausend Jahre leben
ZUKUNFT Die Transhumanisten wollen das Alter abschaffen. Alles Spinnerei oder das Ticket in die Unsterblichkeit?
Kann der Mensch das Altern stoppen? Zu dieser elementaren Frage gibt es eine überraschende Antwort: „Der tausendjährige Mensch ist schon geboren“, sagt Aubrey de Grey. Er ist der bekannteste Vertreter der Transhumanisten. Deren Vorstellung ist, dass der Tod kein unüberwindbares Naturgesetz mehr ist. Sie wollen mithilfe von Technik die biologischen Grenzen des Menschen überwinden. Alles Spinnerei oder unser Ticket in die Unsterblichkeit?
Transhumanisten träumen vom Verschmelzen von Mensch und Maschine. Moderne Medizin, Genmanipulationen und technische Geräte sollen uns übermenschliche Eigenschaften verleihen. Beim Ersatz von Körperteilen beginnt dieser Prozess schon heute.
Denn der Übergang von normalen Implantaten und Prothesen zu solchen, die den Menschen mit zusätzlichen Fähigkeiten ausstatten, ist fließend: Sehprothesen, mit denen man Infrarot sehen kann, Implantate, die das Hörspektrum erweitern, künstliche Beine, die uns schneller laufen lassen.
Aber der Fokus liegt auf der bewussten Steuerung des Alterungsprozesses.
Der Physiker Bernd Vowinkel ist Experte auf dem Gebiet Transhumanismus. „Für Transhumanisten ist das Altern eine Krankheit. Durch genetische Modifizierung des Zellwachstums könne man das Lebensalter weiter hinausschieben. Wie weit, das kann man noch nicht sagen, denn es gibt noch viele ungelöste Probleme.“
Doch seine Spekulationen gehen noch weiter: die Loslösung des Menschen vom Fleisch. „Manche glauben, dass das Gehirn bald digital ausgelesen werden kann.“ Das Bewusstsein könnte dann auf einen Rechner hochgeladen werden, der Mensch in einem Roboter weiter leben. „Das ist bislang aber reine Science-Fiction.“
Religion der Nerds
Zwar wird Transhumanismus häufig als „Religion der Nerds“ abgetan, dennoch bergen diese Ideen Sprengstoff für philosophische Grundsatzdiskussionen. Denn neben den Zweifeln, ob die Ideen überhaupt realisierbar sind, gibt es moralische Bedenken. Philosophen und Wissenschaftler fragen sich, ob künftig soziale Unterschiede daran erkennbar sind, wie viel Maschine im Mensch steckt und wer bestimmt, welche Schäden zu tilgen sind.
Doch die wichtigste Frage überhaupt: Hat ein Leben ohne Tod Sinn? Denn mit dem Ende der Endlichkeit könnten wir auch jegliche Motivation verlieren, Dinge anzugehen. Was ich nicht bis 80 geschafft habe, könnte ich künftig auch mit 260 tun.
Jan Henning Peters, Vizechef der Gesellschaft für Transhumanismus, hat dazu eine klare Position. „Auch ein Leben ohne Tod ist sinnvoll.“ Die Kritik am Transhumanismus sei eine rein psychologische, beruhe auf veraltete Vorstellungen, dass der Tod der Lebenszeit Bedeutung gibt. „Das müssen wir überwinden.“ Der Transhumanismus lasse sich ohnehin nicht aufhalten. „Die Technologien entwickeln sich so oder so, da müsste man sie schon verbieten, um Transhumanismus zu verhindern“, sagt Peters.
Sollte er recht behalten, weilt der tausendjährige Mensch vielleicht tatsächlich schon unter uns. MALINA GÜNZEL FABIAN MRONGOWIUS