: „Die Qualität ist verheerend“
VORBEHALT Das Kommunalkino zeigt und debattiert Propagandafilme im Zeitalter von Youtube
■ 67, ist Publizist, freier Journalist, Medienpädagoge und Lehrbeauftragter für Medienwissenschaft und kommt aus Nürnberg.
taz: Herr Heinzelmann, soll man Propagandafilme wie „Jud Süß“ heute nicht einfach gucken können, ohne dass jemand mahnend danebensteht?
Herbert Heinzelmann: Ich will jetzt das Ergebnis der Diskussion des Seminars nicht vorwegnehmen! Es ist keineswegs ein verbotener Film, ich selbst habe ihn schon öfters in Bremen gezeigt – er steht eben nur unter dem Vorbehalt, ihn historisch einzuordnen und zu debattieren.
Warum sollte man ihn überhaupt noch gucken?
Er ist eine wichtige historische Quelle! Sie sagt uns etwas über die Zeit nach 1940 und die Intentionen des damaligen Regimes zur Vernichtung der Juden.
Weniger bekannt ist der Film „Friesennot“, der am Mittwoch läuft. Warum ist der wichtig?
Da geht es um protestantisches Denken und Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Der Film von 1935 endet aber mit einer Rebellion gegen die in diesem Falle sowjetische Obrigkeit, die Volksdeutsche drangsaliert. Die Frage ist: Kann man ihn auch als Aufforderung verstehen, auch gegen das NS-Regime Widerstand zu leisten?
Ebenfalls am Mittwoch läuft „Über alles in der Welt“. Sogar Goebbels fand, er trägt dick auf.
Er wurde 1941 gedreht und spiegelt die Intentionen der Deutschen nun in ihre Gegner hinein – da werden Deutsche in London und Paris verhaftet und drangsaliert und ein österreichischer Jude versucht, sie zum Verrat an Land und Volk zu verführen. Das ist schon auch spannend.
Spannend oder kurios?
Aus unserer Sicht haben manche dieser Filme auch etwas Kurioses, dieser jetzt weniger. Er bezieht klare Positionen und beschreibt die Deutschen als Opfer.
Heute stehen immer mehr solche Filme als Stream im Netz zur Verfügung. Macht der Vorbehalt da noch Sinn?
Man muss darüber diskutieren, sonst würden wir auch diese Veranstaltung nicht machen. Ich habe „Über alles in der Welt“ jetzt selbst auf Youtube gesehen. Aber die Qualität ist verheerend. Das kann auch ein begeisterter Neonazi nicht genießen. Und die Zahl der Zugriffe ist eher gering.
INTERVIEW: JAN ZIER
Beginn: heute, 20 Uhr, City 46, mit der Doku „Verbotene Filme“