: Beitragsfrei ist nicht kostenfrei
SPD UND KITAGEBÜHREN
Es gibt ein Mantra im Wirken des SPD-Fraktionschefs Raed Saleh: dass er ideologiefreie Politik betreibe. Diese Selbstwahrnehmung steht in krassem Gegensatz zu seiner Forderung nach dem Ende aller Kitagebühren. Bildung müsse generell kostenlos sein, fordert Saleh. Wobei schon der Begriff irreführend ist: Kosten entstehen durch die Betreuung immer, egal ob die Eltern dafür zahlen oder der Staat.
Was Saleh unterschlägt und was in dieser Woche seine Parteifreundin und die am Mittwoch mit großer Mehrheit neugewählte Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey fast als erste Amtshandlung kritisierte, sind die Konsequenzen: Das Geld, das nicht mehr über Gebühren in die Staatskasse kommt, kann der Staat auch nicht ausgeben – etwa für mehr Erzieher in Kitas.
Es gilt, was schon 2006 absurd war, als die SPD mit dem Versprechen der Beitragsfreiheit in den letzten drei Jahren vor Schulbeginn in den Wahlkampf zog: Das Land verzichtet auf Geld von Gutverdienern, denen die Beiträge nicht wirklich wehtun. Die frühere Staffelung sah erst ab 22.500 Euro überhaupt Beiträge vor und exponentiell ansteigende, je mehr die Eltern verdienten.
Ein Leichtes wäre es gewesen, zu sagen: Wir machen die Kita für Leute mit unter 50.000 oder 60.000 Euro Einkommen beitragsfrei – aber das war eben zu komplex für ein Wahlplakat. Zudem scheute sich die SPD, eine Grenze festzulegen. Also lieber einfach und ideologisch und beitragsfrei für alle – es waren und sind ja keine SPD-Gelder, die dafür den Bach runtergehen.
Gänzlich einig sind sich hier ausgerechnet CDU und Linkspartei, die es als sozial ungerecht ablehnen, dass Gutverdiener nicht zahlen sollen. Einer hat seine Meinung im Laufe der Jahre immerhin geändert: Als Michael Müller noch SPD-Fraktionschef war, verteidigte er die damals beschlossene Teilbeitragsfreiheit, obwohl die Finanzlage weit schlechter war – als Regierungschef stemmt er sich heute gegen Salehs Pläne: Wenn man Geld ausgebe, dann für bessere Betreuung, nicht für beitragsfreie.STEFAN ALBERTI