piwik no script img

Archiv-Artikel

„Ich wurde verfolgt“

PERFORMANCE Menschenrechtsaktivist Erik Arellana Bautista mit Poesie über seine Heimat Kolumbien

Erik Arellana Bautista

■ 40, schreibt unter seinem Pseudonym Chico Bauti über Kolumbien. Er lebt mit PEN-Stipendium in Hamburg.

taz: Herr Arellana Bautista, wer verbirgt sich hinter Ihrem Pseudonym Chico Bauti?

Erik Arellana Bautista: Ein Überlebender der staatlichen Repression in Kolumbien. Ich habe mich entschieden, mit der Poesie einen Teil der Erinnerungen der Familien der Verschwundenen, der Opfer der staatlichen Gewalt in Kolumbien zu bergen. Es ist auch eine Hommage an die Frauen meiner Familie, denn Bauti ist der Name der Schwestern meiner Mutter.

Womit beschäftigt sich Chico Bauti?

Mit der Verteidigung der Menschenrechte, der Bewahrung der kollektiven Erinnerung und der Förderung des kulturellen, sozialen und politischen Lebens in einem Land, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Armut und Unsicherheit lebt.

Was steht heute im Gängeviertel auf Ihrem Programm?

Ich werde aus meinem aktuellen Buch “Travesía de la Primavera“ (“Durchreise des Frühlings“) lesen und habe Gedichte über unsere Familie in Kolumbien ausgewählt. Dort wurden wir bedroht, unter anderem weil wir mit Familien von Verschwundenen zusammengearbeitet und ihre Fälle dokumentiert haben. Aber es sind auch einige Gedichte aus unserem Alltag dabei.

Welchen Stellenwert hat denn die Erinnerungsarbeit für eine von 60 Jahren Bürgerkrieg geprägte Gesellschaft?

Die Erinnerungsarbeit hat einen zentralen Stellenwert. Nicht nur für die Menschen, die heute ihre Erinnerungen ausdrücken, sondern für künftige Generationen.

Warum findet Ihre mit Filmszenen angereicherte literarische Performance in Hamburg und nicht in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá statt?

Meine Arbeit in Kolumbien war der Grund, aus dem ich das Land verlassen musste. Ich wurde verfolgt, habe Morddrohungen erhalten und habe mich daher entschieden, eine Weile ins Ausland zu gehen bis sich die Lage beruhigt hat.

Sie leben jetzt seit fast einem Jahr in Hamburg. Hat sich die Lage beruhigt?

Nein, die Drohungen gegen mich und die Menschenrechtsstiftung Nydia Erika Bautista, die ich mitaufgebaut habe, sind nicht weniger geworden. Es gibt keine Sicherheit in Kolumbien für mich und meine Familie. Deshalb lese ich nun im Gängeviertel.

In Kolumbien verhandeln Regierung und die größte Guerilla-Organisation über einen Friedensvertrag. Ist das ein Schritt in eine friedliche Zukunft?

Die Verhandlungen laufen, aber der Krieg in Kolumbien geht weiter und alle drei Tage verschwindet in Kolumbien ein Mensch. Ein Friedensprozess sieht anders aus. INTERVIEW: KNUT HENKEL

19 Uhr, Gängeviertel, Valentinskamp 34