Syrer bekommen Papiere

GRIECHENLAND Regierung will Asylberechtigte umgehend zur Weiterreise in die übrige EU verhelfen. Flüchtlingsunterkünfte sollen humaner werden

BERLIN taz | Die Frage, wie mit den Bootsflüchtlingen verfahren werden soll, ist in Südeuropa vor allem deshalb so aufgeladen, weil die Länder mit den Geretteten alleingelassen werden. Das gilt für Italien genauso wie für Griechenland. In beiden Ländern ist die soziale Lage der Flüchtlinge deshalb überaus prekär. Die Syriza-Regierung hatte vor der Wahl eine Kurskorrektur angekündigt – Dienstag fällte sie hierzu eine Reihe von Beschlüssen.

Erstens will Regierungschef Alexis Tsipras bestehende Internierungs- und Abschiebelager zu „Unterkünften und Wohnlagern“ umbauen. Das dürfte ihm neue Probleme mit der EU bescheren: Die hatte Griechenland in den letzten Jahren Dutzende Millionen Euro überwiesen, damit es ebendiese neue Flüchtlingsknäste baut. Seit Tsipras’ Regierungsübernahme im Januar waren Flüchtlinge vermehrt aus der Internierung entlassen worden. Offen ist auch, woher Tsipras das Geld für den Umbau nehmen will – die EU wird kaum welches geben.

Zweitens sollen Ankömmlinge nicht mehr auf den Inseln, sondern auf dem Festland untergebracht werden – was nicht nur das Leben, sondern auch die Weiterreise vereinfacht.

Drittens, und das ist wohl der heikelste Punkt, will Tsipras „asylberechtigten Flüchtlingen aus Syrien umgehend die notwendigen Dokumente zur Weiterreise“ ausstellen. Die Formulierung des Beschlusses lässt offen, ob dies vor oder nach einem neu zu schaffenden Schnellverfahren geschehen soll. Die Absicht ist in jedem Fall klar: So gut wie keiner der vielen Tausend syrischen Flüchtlinge will angesichts der sozialen und gesundheitlichen Versorgung in Griechenland bleiben. Gleichzeitig dürfen sie wegen der Dublin-Regelungen nirgendwo anders Asyl beantragen. Wenn Tspiras ihnen nun „Papiere zur Weiterreise“ gibt, ist das ein Frontalangriff auf das Dublin-System, das auch die Vorgängerregierungen in Griechenland abgelehnt hatten. Nur hatten die eine solche Konfrontation mit dem Rest der EU gescheut. Die Syriza-Offensive wird den ohnehin wachsenden Druck, endlich einen EU-Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge einzuführen, erhöhen. Davon würde ganz besonders auch Italien profitieren. CHRISTIAN JAKOB