: Das Grauen der steinernen Lochfassade
NEUE MEDIASPREE-PLÄNE
„Mediaspree versenken!“ – Wer erinnert sich nicht an den kämpferischen Slogan, der das Unbehagen der Berliner mit der Bebauung des Spreeufers auf den Punkt brachte? Vor sieben Jahren stimmten mehr als 30.000 Bewohner des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg für einen breiten Uferweg, gegen Hochhäuser am Fluss und gegen eine neue Autobrücke. Der Bürgerentscheid war zwar erfolgreich – verhindern konnte er die bereits Jahre vorher festgezurrten Planungen für das Investorenprojekt „Mediaspree“ nicht: Die urbanen Strandlokale und Brachen sind fast alle verschwunden. Dafür steht die Mercedes-Vertriebszentrale am Ostbahnhof, an der East Side Gallery wächst trotz Protesten der Wohnturm „Living Levels“ in die Höhe.
Und das nächste Grauen ist schon in Sicht: zwei wuchtige Zwölfgeschosser mit steinerner Lochfassade, die 300 Mietwohnungen und ein Hotel beherbergen sollen. Ein Paradebeispiel gesichtloser Investorenarchitektur – ausgerechnet an dem Ort, an dem früher der bunte Reggae-Club Yaam residierte.
Für pittoreskes Abhängen auf der Brache ist dieser Spreeabschnitt fürs Erste verloren. Senat und Investoren fühlen sich ohnehin nicht an die Vorgaben oder Wünsche gebunden. Hier wird bebaut, was die Traumlage am Wasser hergibt. Das heißt allerdings nicht, dass der Bürgerentscheid sinnlos gewesen wäre.
Dass das Ufer für alle zugänglich bleiben muss, haben inzwischen sogar die hartleibigsten Rendite-Jünger akzeptiert. Der Entwickler des in Planung befindlichen Hotel-Scheusals findet einen besonders attraktiven Uferweg sogar unbedingt nötig – damit die Besucher von dort mit Genuss zur East Side Gallery strömen können.
Freitreppen, Pontons, Gartencafés – man darf gespannt sein, was sich die Mediaspree-Investoren noch einfallen lassen, um ihrer Klientel das Verweilen am Wasser schmackhaft zu machen. Wenn die Architektur so öde wird, wie sie auf dem Reißbrett aussieht, wird es viele kreative Ideen brauchen, um aus dem totgebauten Spreeufer wieder eine anziehende „Location“ zu machen. Hier sind dann wieder die Berliner gefragt, deren Strandbars man zuvor abgerissen hat. Das Spreeufer ist tot – es lebe das Spreeufer! NINA APIN