: Neue Zweifel am litauischen Atomreaktor
AKW-Neubaupläne wackeln: Polen scheint Interesse an Beteiligung verloren zu haben, Investoren zögern
STOCKHOLM taz ■ Erst sollte es 2012 fertig sein, dann 2015, nun ist von 2020 die Rede. Doch einiges spricht dafür, dass die Pläne zum Bau eines neuen baltischen Atomreaktors niemals umgesetzt werden. Der Wirtschaftsdienst Bloomberg meldete unter Bezug auf polnische Regierungskreise, dass Warschau das Interesse an der Beteiligung an einem Gemeinschaftsprojekt mit den baltischen Staaten verloren hat.
Das überrascht kaum: Schon bald nach Antritt der neuen polnischen Regierung unter Donald Tusk hatte sich gezeigt, dass das schon länger zu beobachtende polnische Zögern kein „KaczyńĽski“-Problem war. Diese Erklärung hatte Litauen zunächst verbreitet, nachdem der ehemalige polnische Premier den Termin zur Unterzeichnung eines AKW-Abkommens im Sommer einfach hatte platzen lassen.
Doch auch der neue Ministerpräsident Donald Tusk hatte bei seinem Antrittsbesuch beim litauischen Nachbarn Ende November weder für den AKW-Neubau noch für eine dafür notwendige neue Stromtrasse zwischen Litauen und Polen konkrete Zusagen in der Tasche. Stattdessen beließ er es bei unverbindlichen Absichtserklärungen. Zu viele Fragezeichen seien mit diesem Projekt verbunden, zitiert die polnische Wirtschaftszeitung Wallstreet Journal Polska nun anonym einen Energieexperten der Regierung. Die Schuld sieht er bei der litauischen Regierung: Die wisse überhaupt nicht, was sie eigentlich wolle.
Tatsächlich ist man in Litauen bislang nicht allzu weit vorangekommen mit der Umsetzung der AKW-Pläne, die im Parlament schon vor drei Jahren grundsätzlich politisch abgesegnet worden waren. Schon die Bildung eines Konsortiums, das die Baupläne konkretisieren sollte, wurde durch widerstreitende wirtschaftliche Interessen – die in Litauen auch immer parteipolitische sind – zu einer unendlichen Geschichte. Derzeit versucht die Regierung erneut, mehrere Netzbetreiber und Stromproduzenten unter einen Hut zu bringen, um ausländischen Investoren überhaupt einen Ansprechpartner präsentieren zu können. Allein können die kleinen baltischen Staaten einen Neubau nämlich nicht finanzieren.
Doch im Ausland scheint das Interesse eher gering zu sein. Neben Zweifeln, ob das Land den Bau und die Sicherheit eines neuen AKW überhaupt bewältigen kann, trägt auch die Einschätzung von einigen europäischen Banken dazu bei. Diese halten das Projekt „Ignalian II“ für eine ausgesprochen risikoreiche Investition und halten die derzeit angesetzten Kosten für deutlich zu niedrig. In Estland hat man bereits Konsequenzen gezogen und sich mit einem Programm zum massiven Ausbau der Windkraft erst einmal realistischeren Energieplänen zugewandt. REINHARD WOLFF