: Von Nestbeschmutzern und Hundehütten
Bei der letzten Sitzung des Landtags vor der Niedersachsen-Wahl fliegen die Fetzen: Die Opposition fordert wegen des Tiefwasserhafen-Streits den Rücktritt von Wirtschaftsminister Hirche, CDU und FDP sehen ein Gebräu von Gerüchten
„Visier runterklappen, rein in die Schlacht“ war das Motto von CDU und FDP vor dieser letzten Landtagssitzung vor der Wahl in zehn Tagen. Der Mann im Zentrum der Debatte, Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP), vergrub sich in seine Unterlagen und nestelte nervös an seiner Krawatte. Denn: Die Opposition forderte an diesem Mittwoch erneut seinen Kopf. Nach dem seit Oktober vergangenen Jahres laufenden Untersuchungsausschuss zum Tiefwasserhafen halten SPD und Grüne politische Einflussnahme, wenn nicht gar Korruption bei der Vergabe des 480 Millionen Euro schweren Bauauftrags für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven für bewiesen. Sie rügten Zustände wie in einer Bananenrepublik – und wurden als Nestbeschmutzer beschimpft, die den eine Milliarde Euro teuren Super-Hafen schlechtreden.
Hirche müsse „in die Wüste geschickt werden“, donnerte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) habe von der Beeinflussung der Vergabe gewusst und sei wie VW, Karmann oder TUI zeige „ein wirtschaftspolitischer Totalversager“, fügte SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner hinzu. „Wer klug ist, wählt ihn ab.“
Gleich fünf Eingriffe in die Vergabe stellten SPD und Grüne fest. Mit „rüdesten Methoden“ habe so die niedersächsische Seite im März 2007 das Vergabeteam ausgehebelt, das sich für die Papenburger Baufirma Bunte ausgesprochen hatte, sagte der Ausschuss-Obmann der SPD, Gerd Will. Von „Tricksen und Erpressen“ sprach sein Grünen-Kollege Enno Hagenah. Niedersachsen habe „aktiv“ an der „Vergabemanipulation“ zugunsten Hochtiefs mitgemacht.
Erst eine Gerichtsentscheidung hatte im September 2007 dem Essener Baukonzern den Auftrag wegen Formfehlern entzogen. Nun soll Bunte den Hafen bauen. Das verhindert jedoch noch eine ausstehende Gerichtsentscheidung.
„Hier und dort hat es Fehler gegeben“, gab Hirche zu. Aber das sei bei einem Auftrag dieses Volumens auch normal. Der Jade-Weser-Port werde wie geplant 2010 in Betrieb gehen, den von der Opposition befürchteten Verlust von EU-Mitteln in Höhe von 50 Millionen Euro wegen Verzögerungen werde es nicht geben. Die Opposition verwechsle „Plus und Minus“. Dass Bunte inzwischen Mehrkosten in Höhe von 65 Millionen Euro von den Betreiberländern Bremen und Niedersachsen fordert, weil Stahl und Arbeitskosten sich verteuert haben, erwähnte Hirche nicht.
Von einem „Gebräu von Gerüchten“, sprach auch Hermann Dinkla, Ausschuss-Obmann der CDU. Das „oppositionelle Kanonenboot mit den Kapitänen Jüttner und Wenzel“ sei in die Irre gefahren, im Ausschuss sei lediglich „friendly fire Richtung Bremen“ herausgekommen. Sein FDP-Kollege Jörg Bode gab zu Protokoll, wegen erwiesener Einflussnahme des Bremer Geschäftsführers der Hafen-Realisierungsgesellschaft, Jürgen Holtermann, solle Niedersachsen die ab 2013 fällige Erweiterung des Hafens vielleicht ohne Bremen bauen. Er sei gegen den von den Bremern gewünschten Wechsel Holtermanns in den Aufsichtsrat. „Ich würde mit ihm persönlich nicht mal eine Hundehütte bauen – und mein Hund könnte eine gebrauchen.“
Viel Scheppern, wenig Substanz. Nach der Sitzung tätschelten CDU-Granden Hirches Schulter, eine Demonstration des Vertrauens. Angeblich will der Polit-Dino nach der Wahl weiter machen. Hirche wird im Februar 67 Jahre alt. KAI SCHÖNEBERG