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Archiv-Artikel

Bremens Zukunft heißt zahlen

Mit dem Haushaltsplan hat der Senat diese Woche eine mittelfristige Finanzplanung vorlegen. Viel Spielraum hat die Politik nicht, wird die rot-grüne Landesregierung nicht müde zu betonen: Im Haushalt sind die meisten Summen „verpflichtend“ festgelegt oder dadurch gebunden, dass jede Verschiebung von Mitteln zu Protesten bei denen führt, die abgeben sollen. In der mittelfristigen Planung sind dem Bremer Senat die Hände gebunden, weil dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe weitreichende „Eigenbeiträge“ zur erforderlichen Sanierung der Staatsfinanzen gemeldet wurden

Von Klaus Wolschner

Schöne Kurven gehen nach oben. Es gibt eine schöne Kurve, die zeigt, wie die Bremischen Staatsfinanzen saniert werden. „Einnahmenentwicklung Bremens im Sanierungszeitraum“ steht darüber. Die Kurve beginnt 1993 bei der Summe von 3,1 Milliarden Euro. Das war, in Euro umgerechnet, der Ausgangspunkt der Sanierung. Die Kurve geht steil hoch, im Jahre 2002 hat sie die schwindelnde Höhe von 4,9 Milliarden erreicht. Damit war klar: Wenn die Ausgaben Bremens einigermaßen in Grenzen gehalten werden können, ist Bremen 2002 saniert. Das war der Plan am Anfang des Sanierungszeitraums. Der Plan sollte zeigen: Die Sanierungshilfen für die Jahre 1994 bis 1999 sind beim Bremer Senat in guten Händen.

So wurde Bremen saniert

1998 war klar: Der Plan geht nicht auf. Die Steuereinnahmen sind nicht gestiegen. Bremen führte Verhandlungen für eine zweite Phase der Sanierungshilfen, „abschließend“ sollte noch einmal Geld nach Bremen fließen. Die Einnahmen waren de facto nur auf 3,2 Milliarden Euro gestiegen durch höhere Ansprüche an den Länderfinanzausgleich, die Ausgaben waren derweil von 3,9 Milliarden (1993) auf 4,2 Milliarden Euro gestiegen.

Eine neue Kurve musste her. Sie zeigte: Bis 2005 sollten die Einnahmen nun auf 3,8 Milliarden Euro steigen. Dann würde Bremen es schaffen. Für eine kurze Spanne war Oskar Lafontaine (SPD) Finanzminister, dessen Saarland auch in der Finanzklemme war. Er gewährte den Nachschlag für Bremen und für „sein“ Saarland. Ausdrücklich „abschließend“, so steht es im entsprechenden Finanzausgleichsgesetz. Die reale Kurve der Einnahmen Bremens sank allerdings: Im Jahre 2005 lagen die Einnahmen bei 2,97 Milliarden Euro, die Ausgaben lagen nach wie vor Jahr für Jahr über der vier Milliarden-Grenze.

Die Verschuldung Bremens war so während der Jahre der Haushalts-Sanierungshilfe nicht wie geplant abgebaut worden, sondern von rund neun Milliarden auf mindestens 13 Milliarden Euro gestiegen – wenn man die versteckten Schulden zu der offiziellen Zahl hinzurechnet.

Das neue Ziel: Primärsaldo

Nun gibt es einen neuen 5-Jahresplan, eine neue Kurve. Im Jahre 2009 soll erstmals der so genannte „Primärsaldo“ ausgeglichen sein, d.h. die Einnahmen – inklusive Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen – sollen die Ausgaben vollständig decken, wenn man die Zins-Zahlungen abzieht. Zu drei Viertel lebt die neue Kurve aber wieder davon, dass die Steuereinnahmen steigen – immerhin: Im Jahre 2006 hat es eine Trend-Umkehr gegeben, erstmals seit Jahren stiegen die Steuereinnahmen wieder. Man könne nicht davon ausgehen, dass dieser neue Trend „in langfristiger Sicht uneingeschränkt anhalten wird“, heißt es in den Erläuterungen des Finanzressorts vorsichtig. Aber für die nächsten Jahre wird das erstmal unterstellt, davon gehen alle aus, und die Kurve geht schön nach oben.

Diese Rechengröße „Primärhaushalt“ ist dabei eine Konstruktion, die vor Augen führen soll, dass Bremen aus eigener Kraft lebensfähig wäre – wenn jemand die Altlasten übernehmen würde. Die Primärausgaben „pro Kopf“ sollen übrigens auf 115 Prozent des Bundesdurchschnitts abgesenkt – das ist für eine Großstadt wenig. Hamburg und Berlin liegen darüber. Aufgrund der hohen Investitionsquote lag Bremen vor einigen Jahren noch bei 140 Prozent.

Sanierungshilfe III, der Schuldenfonds

Das Rechenmodell „Primärausgaben“ klammert gleichzeitig die Zins-Last aus. Im Jahre 2004 zahlte Bremen 500 Millionen Euro an die Banken, 2011 werden das planmäßig 813 Milliarden Euro sein, der Schuldenstand wird auf 17 Milliarden angestiegen sein.

Die Botschaft dieser Darstellungsweise: Das Grundgesetz der Bundesrepublik legt eine „Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen“ in den verschiedenen Ländern des Bundes verpflichtend fest – ein Ausgabenvolumen von 115 Prozent ist also verfassungsrechtlich legitim. Diese Schulden kann Bremen gleichzeitig nicht aus eigener Kraft zurückzahlen. Bremen wäre finanziell auf stabilen Füßen, wenn – Sanierungsversuch Nummer drei – ein Großteil dieser Schulden in einen „Schuldentopf“ übernommen würde. Das Problem: Wer zahlt dann die Zinsen? Der Bund nicht, der hat selbst erhebliche Schulden, hatte vor Monaten schon die Bundesregierung erklärt.

Das neue Zahlen-Modell der Sanierung

Die Investitionsausgaben sollen sinken, die laufenden konsumtiven Ausgaben konstant bleiben, so drückt man die Ausgabenquote. Die originären Steuereinnahmen Bremens sind von 1,8 Milliarden (2004) auf 2,1 Milliarden im Jahre 2007 gestiegen, bis 2011 wird ein weiterer Anstieg auf 2,47 Milliarden erwartet. Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisung hatten im Jahre 2004 einen Anteil von 474 Millionen Euro an den bremischen Staatseinnahmen, im Jahre 2011 soll der Anteil der Transfer-Zahlungen auf 721 Millionen Euro angestiegen sein. Diese Prognose geht davon aus, dass die bundesweiten Steuereinnahmen deutlich schneller steigen als die bremischen.

Recht konstant rechnet die bremische Finanzplanung mit rund 500 Millionen Euro „sonstigen konsumtiven Einnahmen“ jedes Jahr, die Summe der Staatseinnahmen addiert sich so von drei Milliarden (in 2004) auf 3,8 Milliarden in der Prognose für das Jahr 2011. Die Ausgaben sollen nach dieser Modellrechnung etwa konstant bei 4,2 Milliarden pro Jahr bleiben.

Für den prognostizierten Anstieg der Steuereinnahmen gibt es ein Problem. Bremen hat, auch wenn man Bremerhaven hinzurechnet, eine hohe Wirtschaftskraft, nur sieben Großstädte haben mehr – Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart, Hamburg, München, Köln, Hannover. Aber wenn man in der Tabelle der Bundesländer die Wirtschaftskraft mit der Steuerkraft vergleicht, dann gibt es eine Überraschung: Für die neuen ostdeutschen Bundesländer und auch Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz ist die Steuerkraft im Vergleich zu ihrem Anteil an der bundesdeutschen Wirtschaftskraft hoch, liegt in Anteils-Prozenten darüber. Für Bremen zeigt die Rechnung eine drastische „Entkoppelung von Wirtschaftskraft und Steuerkraft“. In Hamburg und in Bayern hat diese Schere zwischen Wirtschaftskraft und Steuerkraft nur halb so große Effekte wie in Bremen. Das liegt vor allem an der Umsatzsteuerverteilung, heißt es im Finanzressort, da ist Bremen „Geberland“.

Bremen wächst nicht

Eine wichtige Kennziffer, nach der im bundesdeutschen Finanzausgleich die Gelder verteilt werden, ist die Zahl der Einwohner. Die offiziellen Schätzungen gehen davon aus, dass die Einwohnerzahlen Bremerhavens bis zum Jahre 2011 um 3.600 Köpfe sinken werden, die Einwohnerzahl Bremens soll um 3.300 Köpfe steigen. Das bedeutet: Der Traum, Wirtschaftsinvestitionen könnten zu einer relevanten Zuwanderung führen – von 50.000 Einwohner mehr sprach einmal der Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) – wird auch in Zeiten guter Konjunktur nicht wieder ausgebreitet. Die Bevölkerungsprognose ist auch im Detail interessant: Für die Gruppe der 6-19-Jährigen wird ein Rückgang von 4,1 Prozent (3.227 Personen) im Lande Bremen erwartet. Das macht vier Schulen leer, die geschlossen werden könnten. Aber nur vorübergehend – der Bevölkerungsanteil der Kinder bis sechs Jahre soll um 2,1 Prozent (680) steigen. Und während der Anteil der arbeitsfähigen „Erwachsenen“ zwischen 19 und 64 Jahren stagniert, soll die Gruppe der Senioren um 1,3 Prozent (1.873) leicht steigen.

Kein Spielraum im Etat

Wenn man die „Eckwerte“, also die Summen für bestimmte Aufgabenbereiche betrachtet, so stellt man eine weitreichende Kontinuität fest zwischen den realen Ausgaben im Jahre 2007 und den Planungen des Senats für 2008 und 2009. Im Sozialbereich waren die Haushaltsansätze viel zu gering gewesen, für 2008 sind sie auf das realistische Niveau von 2007 angehoben worden. Die neuen Ganztagsschulen kosten etwas Geld, die Ausgaben für den Wissenschafts-Bereich, in den sehr viel „investiert“ worden ist, sollten leicht abgesenkt werden – die Absenkung passiert nun noch vorsichtiger. Für „Kultur“ standen 2006 64 Millionen Euro zur Verfügung, 2008 und 2009 sollen es jeweils 65 Millionen sein. Wenn es sonst größere Verschiebungen in der Zahlentabelle gibt, dann hängen die damit zusammen, dass bestimmte Ausgaben anders zugeordnet werden. Die Mittel für Justiz lagen 2004 bei 39,99 Millionen und sollen bis 2011 auf 40,5 Millionen Euro steigen. Lohnerhöhungen sind entweder nicht vorgesehen oder sollen durch Personalkürzungen aufgefangen werden.

Sparen bei Investitionen

Ganz anders sieht es im Investitionsbereich aus. Die Summe der Investitionsausgaben über die Ressorts soll von 460 Millionen (2007) auf 400 Millionen Euro abgesenkt werden. Das hatte schon die große Koalition so beschlossen – die überdurchschnittliche Investitionsquote war bundesweit aufgefallen und hatte im Streit um weitere Sanierungshilfen zu dem schlagenden Argument geführt: Bremen leistet sich Dinge, die sich Geberländer nicht leisten können, Bremen verprasst „unser“ Geld. Die große Koalition hat aber nicht nur die Sanierungshilfen ihrer Haushaltsjahre „verprasst“, sondern auch die Investitionsetats der jetzigen rot-grünen Koalition. In diesem Jahr 2008 fließen aus den Investitionsmitteln zum Beispiel 10,9 Millionen Euro ab für den Space-Park – zur Finanzierung von Baumaßnahmen, die vor Jahren abgeschlossen wurden. 2009 sind es noch einmal 9,5 Millionen. Mit den Ausgaben für den Umbau des Vulkan-Geländes werden die Haushalte bis 2019 mit jährlich 1,5 Millionen Euro belastet. Die Kaiserschleuse „kostet“ bis 2030 jährlich rund 20 Millionen, das Container-Terminal III schlägt fast so lange mit 10 Millionen zu Buche. Spitzenreiter ist bislang das CT IV: Bis zum Jahre 2047 belastet es nach der derzeitigen Planung den Haushalt, im Jahre 2008 sind es 17 Millionen, 2018 sollen es zum Beispiel 25 Millionen sein. Die Baukredite wurden „außerhalb des Haushaltes“ als so genanntes „Hafen-Sondervermögen“ verbucht.

Das Geld ist weg

Da die rot-grüne Koalition diese Politik der „Vorbelastung“ späterer Jahre nicht fortsetzen will, ist der Spielraum in den kommenden Jahren sehr eng. Von 125 Millionen, die im Investitionsetat des Wirtschaftssenators für 2008 stehen, sind 47 Millionen für Zinsen und Tilgung der Ausgaben früherer Jahre festgelegt, 72 Millionen sind verpflichtet für die Fortsetzung begonnener Subventions-Projekte - gerade 6,3 Millionen Euro sind im Jahre 2008 „frei“ verfügbar. Das ist die Folge davon, dass die große Koalition das Geld im Vorgriff auf das Haushaltsrecht des neu gewählten Parlaments ausgegeben hat. Eines der wenigen „neuen“ Investitions-Projekte ist der Anbau der Kunsthalle. In den Etats 2009-2011 stehen dafür zehn Millionen Euro.

Streit um die Beamten

Großen Streit um den Haushaltsplan wird es wegen der Beamtenbesoldung geben. Die Koalition will sich durch eine Verschiebung der Besoldungserhöhung 45 Millionen Euro „Luft“ verschaffen, ohne die Gehaltsentwicklung vom Bundestrend abzukoppeln. Berlin hat seinen Beamten eine Nullrunde verordnet. Stefan Korioth, der Prozessbevollmächtigte von Hamburg und Niedersachsen im Bremer Verfassungsklage-Verfahren, hat sogar eine Senkung der Beamtengehälter in Bremen als „Eigenbeitrag“ zur Sanierung der Staatsfinanzen gefordert.