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Archiv-Artikel

monday mirror Video ja, Visum nein

taz-Redakteurin Susanne Lang arbeitet zurzeit beim Guardian in London. In ihrer wöchentlichen Kolumne schreibt sie über die britischen Medien.

Wovon träumen Jungs mit 17? „Fuck you“, rappt Mohammad. Dann schleudert er seinen Arm nach unten, wie es Rapper so machen. Um den Kopf hat er sich ein Tuch gewickelt, das weiße Muscle-Shirt spannt sich um sein Bäuchlein. Aus dem Off ruft seine Mutter, Essenszeit und die üblichen Fragen: Hat er gelernt? Mohammad winkt ab, scherzt und isst. Er wirkt wie so viele Jungs mit 17, bevor sie auf die Universität gehen werden – oder zumindest wollen. Schnitt.

Ein anderer 17-Jähriger, Ali, klettert auf das Dach des weißen flachen Steinbaus seiner Familie. Ali zeigt auf die schwarze Wolke am Himmel. Ein Bombenanschlag auf die Tankstelle. Ali und Mohammad sind ganz normale Jungs – nur leben sie in Baghdad, einer der zurzeit unsichersten Städte der Welt. Die Kamera wackelt, Ali stellt sie aus. Schnitt.

Dass Fernsehzuschauer in Europa, einem der sichersten Kontinente der Welt, Bilder aus dem Leben von Ali, Mohammad und ihren Freunden Anmar und Hayder zu sehen bekommen, liegt daran, dass sie für eine Dokumentation ein Jahr ihres Lebens selbst gefilmt haben. Für eine Institution, die nach manipulierten Beiträgen zuletzt mit einer Vertrauenskrise zu kämpfen hatte: die BBC. Die britische öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt hat mit Arte den Filmemachern Laura Winter und Ivan O’Mahoney ermöglicht, das Langzeitprojekt zu verwirklichen. Das Ergebnis ist bemerkenswert: 90 Minuten aus Bagdad, wie man sie sonst nie sieht. Kein Blut, keine Gewalt, keine politische Instrumentalisierung. Sondern Bilder aus dem Alltag der Jungs: in der Schule, zu Hause, bei den Freunden. Und eine große Frage, die immer drängender wird: Kann man in diesem Bagdad eine Zukunft haben? Von Monat zu Monat, besonders nach der Hinrichtung Saddam Husseins Ende 2006, wird ein Nein für die vier wahrscheinlicher.

Koproduktionen wie diese dürften nicht nur das Ansehen der BBC aufpolieren – auch wenn sie wie so oft im BBC World-Programm versteckt und im neuen Download-Angebot nur sieben Tage verfügbar war. Dokus wie „The Boys from Baghdad High“ stärken auch BBC-Generaldirektor Mark Thompson den Rücken, der letzte Woche die Regierung aufforderte, mehr Geld für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Verfügung zu stellen, falls sie die Qualität im digitalen Zeitalter gewährleisten wolle.

Die Labour-Regierung machte jedoch im Zusammenhang mit den Bagdad-Boys eine jämmerliche Figur. Beim Screening letzte Woche in einem Londoner Offkino waren die vier Iraker nicht dabei – sie bekamen kein Visum.