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Archiv-Artikel

Die Unesco kommt ins Watt

Die Bundesregierung will den Schutzstatus für das Nordsee-Wattenmeer bei der Unesco beantragen. CDU und SPD allerdings sind dagegen – im Bundestag wie in der Hamburger Bürgerschaft

DAS IST DAS WATTENMEER

Das Wattenmeer an der Nordseeküste ist das größte tideabhängige Sand- und Schlickwatt der Welt. Dort leben rund 3.200 Tierarten, 250 von ihnen kommen nur in den Salzwiesen des Wattenmeeres vor. Zudem ist es ein weltweit einmaliger Lebensraum für Millionen von Zugvögeln und eine Vielzahl bedrohter Tiere und Pflanzen. Vor den nordfriesischen Inseln Sylt und Amrum, in der Kinderstube der delphinähnlichen Schweinswale, liegt das einzige deutsche Walschutzgebiet. Das Wattenmeer zwischen dem dänischen Esbjerg und Den Helder in den Niederlanden ist mit mehr als 10.000 Quadratkilometern fast so groß wie das Bundesland Schleswig-Holstein. Der deutsche Anteil von etwa 7.500 Quadratkilometern unterliegt als Nationalpark den höchsten Schutzkategorien der drei Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg. Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer rund um die Inseln Neuwerk und Scharhörn vor der Elbmündung umfasst lediglich 137,5 Quadratkilometer.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Tobias Dünow drückt sich unmissverständlich aus: „Wir reichen den Antrag bei der Unesco fristgerecht ein“, versicherte der Sprecher von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern auf Anfrage der taz. Die Anmeldung des Wattenmeeres an der Nordseeküste als Weltnaturerbe werde vorangetrieben – „auch ohne Hamburg“.

Bis zum 1. Februar muss der Schutzstatus bei der Unesco, der für Kultur und Wissenschaft zuständigen Sonderorganisation der Vereinten Nationen in Paris, beantragt werden. Dann würde das Biotop vor den Deichen auf eine Stufe gestellt mit dem Great Barrier Reef vor Australien oder dem Grand Canyon in den USA. In Deutschland ist bislang nur die Fossilienfundstätte Grube Messel bei Darmstadt als Weltnaturerbe anerkannt. Das Wattenmeer unterliegt als Nationalpark den höchsten nationalen Schutzkategorien in Deutschland, den Niederlanden und ab Sommer 2009 auch in Dänemark (siehe Kasten). Am heutigen Donnerstag will das niederländische Parlament grünes Licht für den Antrag geben, das dänische tat dies vorige Woche.

Anders als die Nachbarn Schleswig-Holstein und Niedersachsen verweigert Hamburgs Senat jedoch seine Unterschrift unter den Antrag. Grund ist die Befürchtung von Bürgermeister Ole von Beust und Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (beide CDU), die Unesco könnte Probleme bei der geplanten Elbvertiefung machen. „Im Grundsatz“, versichert Senatssprecher Christof Otto, sehe man das Unterfangen ja „mit Wohlwollen“. Aber Hafenumschlag, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze hätten nun mal Vorrang. Das hat Ole von Beust ausdrücklich zur „Grundbedingung“ für eine eventuelle Koalition nach der Wahl am 24. Februar erklärt.

Wer das Weltnaturerbe fordere, „setzt tausende Arbeitsplätze aufs Spiel“, bekräftigte Uldall gestern vor der Hamburger Bürgerschaft. Eine Anerkennung durch die Unesco würde das „ohnehin konkurrenzlos komplizierte deutsche Planungsrecht noch komplizierter machen“.

Der grüne Wirtschaftspolitiker Jens Kerstan hingegen verstand nicht, „wo das Problem ist“: In den Planunterlagen für die Elbvertiefung heiße es, sie habe „keinerlei ökologisch bedenklichen Auswirkungen“. Also, fragten Kerstan und sein Kollege Christian Maaß, „stimmen diese Behauptungen wohl nicht, sonst müssten Sie die Unesco nicht fürchten“. Den SPD-Parteichef und Wirtschaftspolitiker Ingo Egloff focht das nicht an. Es sei richtig, den Antrag jetzt nicht zu stellen: „Wir nehmen keine Wettbewerbsnachteile für den Hamburger Hafen hin“, erklärte er unter dem Beifall auch der CDU-Fraktion.

Im Bundestag haben die Regierungsfraktionen von CDU und SPD auf Wunsch der Union am Dienstag beschlossen, ihren unterstützenden Antrag vorerst zu vertagen. „Wir haben keine Eile“, hieß es aus der CDU-Fraktion. Aus Kreisen des Koalitionspartners dringt die Einschätzung, vor der Hamburg-Wahl sei mit der Bundes-CDU „über dieses Thema nicht zu reden“.

Dem Niedersachsen Gabriel kann das egal sein: Sein Ministerium darf und wird den Antrag abschicken – auch ohne Applaus im Bundestag. Er sehe nicht ein, lässt der Sozialdemokrat erklären, „dass wegen der Ignoranz und Verbohrtheit des Hamburger CDU-Senats diese auch wirtschaftliche Chance für die gesamte Wattenmeer-Region verspielt wird“.