: Motivationskiller Moorburg
Auf der Anhörung zur Petition über das Steinkohlekraftwerk Moorburg ziehen die Umweltverbände Bilanz: Kraftwerk nicht nur klimapolitisch fatal und gesundheitsgefährdend, sondern auch Job-Killer
VON MARCO CARINI
„Das Kraftwerk Moorburg ist ein Motivationskiller für den privaten Verbraucher“, klagt Günter Hörmann, Chef der Hamburger Verbraucherzentrale. „Wir können niemandem erklären, warum er in die Wärmedämmung seines Hauses investieren soll, wenn der Senat ein Kraftwerk baut, das Millionen Tonnen CO2 zusätzlich ausstößt.“ Auf der Anhörung des bürgerschaftlichen Umweltausschusses gegen das geplante Kohlekraftwerk Moorburg fächerten gestern Abend die Initiatoren der erfolgreichen Volkspetition ihre Kritik gegen das Projekt noch einmal auf: geballte Öko- und Verbraucherschutzpower gegen das wohl umstrittenste Neubauprojekt der Stadt.
Manfred Braasch, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Hamburg führte aus, das geplante Kraftwerk sei „weder zukunftsfähig noch mit den klimapolitischen Zielsetzungen vereinbar“. Während der CO2-Ausstoß des Verkehrs insgesamt 4,3 Millionen Tonnen pro Jahr betrage, werde er durch Moorburg um 8,5 Millionen Tonnen steigen und den jährlichen Gesamtausstoß der Hansestadt – derzeit 18,7 Millionen Tonnen – so beträchtlich erhöhen. Peinlich: Ein Greenpeace-Experte argumentierte mit völlig anderen Zahlen. Weitere Folgen sind Braasch zufolge die Erwärmung der Elbe, die Beeinträchtigung, wenn nicht gar Ausrottung ganzer Fischbestände und der zusätzliche Ausstoß gesundheitsgefährdender Stickoxide.
Nach Auffassung unabhängiger Experten wird die Abscheidungstechnik, die den CO2-Ausstoß beträchtlich reduzieren soll, nicht vor 2020 einsatzfähig sein. Die Alternative für Braasch: Jede Menge Gutachten von BUND und Zukunftsrat hätten belegt, dass ein alternativer Energiemix Moorburg ersetzen und den Strombedarf Schleswig-Holsteins und Hamburg absichern könne. Blockheizkraft- und Gaskraftwerke sowie Biomasseanlagen, die teilweise schon geplant seien, würden eine „gesicherte Energieversorgung möglich“ machen, so Braasch. Eine solche dezentrale Energieversorgung bringe zudem deutlich mehr Arbeitsplätze als ein zentrales Großkraftwerk.
Rainer Zimmermann von Greenpeace wies darauf hin, dass bundesweit insgesamt 21 neue Kohlekraftwerke geplant seien. Würden sie alle gebaut, läge der Ausstoß im Jahr 2050 knapp 40 Prozent höher als die Energiewirtschaft insgesamt emittieren darf. Auch Zimmermann bezweifelte, dass die CO2-Abscheidung kommt. Sie würde den Moorburg-Betreiber Vattenfall zwischen 170 und 600 Millionen Euro pro Jahr kosten – die mit dem Senat vereinbarten Strafzahlungen dagegen lägen bei etwa 10,5 Millionen Euro, und das auf mehrere Jahre verteilt. Zudem sei auch die unterirdische Lagerung des abgeschiedenen CO2 nicht sicher. Zimmermann sprach von ökologischen Katastrophen durch den Austritt in „Grundwasser, Boden und Atmosphäre“.
Umweltstaatsrätin Herlind Gundelach verteidigte den geplanten Neubau: „Wir können den benötigten Strom nicht allein durch regenerative Energien gewinnen.“ Konkreten Nachfragen allerdings wich die CDU-Politikerin aus – und verwies aufs laufende „Genehmigungsverfahren – da kann ich keine detaillierten Aussagen machen“.