: Finanzpoker um soziales Projekt
Das Integrationsprojekt für Russlanddeutsche M-Ost hat hohe Mietschulden – beim Bezirk. Der wollte deswegen kündigen, gewährt jetzt aber doch eine Gnadenfrist
Das von der Schließung bedrohte interkulturelle Kulturzentrum M-Ost in Marzahn kann seine Arbeit bis Jahresende fortsetzen. Das Bezirksamt als Vermieter gewährte dem wegen Schulden eigentlich zum gestrigen Donnerstag gekündigten Projekt des freien Trägers Dialog e. V. einen befristeten Vertrag. Damit soll ein „geordneter Übergang der Einrichtung“ gewährleistet werden, erklärte Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Die Linke).
Der Projektname M-Ost ist ein deutsch-russisches Wortspiel. Es heißt Marzahn Ost, spielt aber auch auf most, das russische Wort für Brücke, an. Eine Brücke baut der Verein den Russlanddeutschen, die jeden fünften Bewohner im Marzahner Nordosten stellen. In ganz Berlin leben rund 160.000 Aussiedler aus den GUS-Staaten, die damit nach Türken die zweitgrößte Zuwanderergruppe sind.
Der Verein versucht das kulturelle Potenzial dieser Gruppe für seine Integrationsarbeit zu nutzen: Russlanddeutsche sind zwar häufig arbeitslos und leben damit in problematischen sozialen Situationen, sie sind aber meist sehr interessiert an Angeboten wie Ballett, Zeichenunterricht, Kampfsporttraining, Kindertanz, Deutschkursen und Computerunterricht. Inhaltlich leistet der Verein hervorragende Arbeit; im November zeichnete ihn die Stiftung Hauptstadtinitiative mit dem „Hauptstadtpreis für Integration und Toleranz“ aus. Das Problem des Vereins liegt im Umgang mit dem Geld: Die Schulden beim Bezirksamt für die Betriebskosten der mietfrei genutzten Räume belaufen sich auf 62.000 Euro.
Auf Wunsch des Bezirksamtes zog der Verein 2004 in die Ringkolonnaden in Marzahn. Der Bezirk wollte mit diesem und weiteren freien Trägern ein Marzahner Traditionsgebäude wiederbeleben. Die Ringkolonnaden stellten zu DDR-Zeiten inmitten der Einheitsarchitektur einen architektonischen Blickfang dar. Nach der Wende waren sie mehr als ein Jahrzehnt verwaist.
Laut Tatjana Forner vom Trägerverein habe dieser fast 70.000 Euro in das marode bezirkseigene Gebäude investiert. Allerdings: Viel Arbeit wurde ehrenamtlich geleistet und nicht ordnungsgemäß belegt. Das Bezirksamt wollte die Investitionen des Vereines nicht mit den fälligen Betriebskosten verrechnen.
Ein Gericht sprach dem Bezirksamt ein Recht auf die Nachzahlung der Betriebskosten zu. „Wir konnten aber in der Startphase wegen der hohen Investitionen nicht zahlen“, sagt Forner. Inzwischen habe man einen Plan zur Nachzahlung der Gelder vorgelegt. Doch dieser funktioniere nur, wenn der Verein in den Räumen seine Projektarbeit fortsetzt, mit der er Geld einnimmt. „Fliegen wir raus, sind wir insolvent, und der Bezirk bekommt kein Geld.“ Allerdings garantiere auch die zugesagte Nutzung bis Jahresende keine vollständige Schuldentilgung. MARINA MAI