Im Abseits der Vereins-Historien

Als erster Bundesliga-Verein zeigt Werder Bremen eine Wanderausstellung über jüdische Fußballer. Obwohl sich DFB-Präsident Zwanziger persönlich engagierte, war ansonsten bisher nur der sauerländische TUS Plettenberg interessiert

Richard Kohn, genannt „Dombi“, feiert auf den Schultern seiner Fans: Der Trainer hat dem FC Bayern München zu seinem ersten Meistertitel verholfen. Das war 1932. 1933 wanderte Kohn aus. Dass es überhaupt Fußball-Turniere und den DFB gibt, ist wiederum das Verdienst von Walter Bensemann, der auch den „Kicker“ gründete. Und 1934 völlig mittellos in der Schweiz starb. Anhand solcher Biografien verdeutlicht eine Wanderausstellung des Centrums Judaicums die Bedeutung jüdischer Akteure für die Fußball-Entwicklung.

„Kicker Kämpfer Legenden“ ist jetzt im Bremer Weserstadion zu sehen. Der SV Werder ist damit der bislang einzige Bundesliga-Club, der die Schau in seine Räume aufnimmt – und das, obwohl DFB-Präsident Theo Zwanziger die 2006 erstmals im Berliner Centrum Judaicum präsentierte Schau dort höchstselbst eröffnet hatte. Noch genau ein anderer Club habe die Ausstellung bislang haben wollen, sagt „Centrums“-Mitarbeiterin Anna Fischer, die die Abstinenz der übrigen Vereine „sehr schade“ findet: Der TUS Plettenberg.

„Werder“ und der sauerländische Club sind in ihrem diesbezüglichen historischen Interesse also exklusiv vereint. Das ist auch insofern bemerkenswert, als sich die Werderaner Vereinsgeschichte im Nationalsozialismus auf der Club-Homepage vornehmlich als Lücke präsentiert. Während dort detaillierte Daten von der Gründung bis in die Gegenwart zusammen getragen sind, gibt es zwischen 1933 – „Umzug ins Weserstadion“ – und der Neugründung 1945 lediglich einen Eintrag: Der Club habe 1934 mit Matthias Heidemann seinen ersten Nationalspieler gestellt.

Animiert durch die Wanderausstellung hat „Werder“ jetzt den Historiker Harald Klingebiel beauftragt, das Schicksal seiner jüdischen Mitglieder zu recherchieren. Einige trugen sehr wesentlich zum Aufbau des Klubs bei, etwa Alfred Ries als langjähriger Vereins-Chef. Bereits 1913, als 16-Jähriger, wurde Ries zweiter Vorsitzender, er überlebte die NS-Zeit im Ausland und ließ sich 1947 erneut wählen. Diese Kontinuität ist auch bei Bayern München-Chef Kurt Landauer zu beobachten, der trotz des KZ-Todes vieler naher Angehöriger schon sehr bald nach dem Krieg „wieder dazugehören“ wollte: Bis 1951 blieb er Vereinsvorsitzender.

Wegen des kriegsbedingten Totalverlustes aller „Werder“-Akten kann Klingebiel zwar keine quantitativen Aussagen machen, es gelang ihm jedoch, weitere jüdische Werder-Biografien zu rekonstruieren. Etwa die von Arthur Rosenthal. Der Vereins-Aktivist formulierte scharfe deutsch-nationale Aufrufe zum Sturz der Räterepublik, was ihn später nicht vor Zwangsarbeit im Bremer U-Boot-Bunker „Valentin“ und der – tödlichen – Deportation nach Minsk bewahrte. Mit Hansi Wolff, einem derart prägenden Geschäftsführer, dass die Presse von „Hans Werder vom SV Wolff“ schrieb, skizziert Klingebiel auch das Schicksal einer widersprüchlichen Persönlichkeit. Wolff war, trotz seiner „halbjüdischen“ Abstammung, 1931 / 32 Mitglied in NSDAP und SS.

„Ohne nennenswerten Protest“ sei der Rausschmiss jüdischer Mitglieder aus den Vereinen erfolgt, sagt Kuratorin Swantje Schollmeyer – das galt selbst in Bezug auf das legendäre Stürmer-Duo Julius Hirsch und Gottfried Fuchs, Fuchs schoss 1912 die zehn olympischen Tore gegen Russland. Wie viele jüdische SportlerInnen insgesamt betroffen waren, ist in der konsequent dem biografischen Ansatz vertrauenden Ausstellung nicht zu erfahren. Immerhin erlaubt die Entwicklung nach 1933 Rückschlüsse: In kurzer Zeit gründeten sich mehr als 100 jüdische Vereine mit insgesamt 60.000 Mitgliedern. 1938 erstickte dann ein allgemeines Sportverbot für die jüdische Bevölkerung auch diese Aktivitäten. HENNING BLEYL

Bis 28. Mai im „Wuseum“ in der Nordkurve des Bremer Weserstadions

Fotohinweis:Julius Hirsch 1913 in Aktion beim Fußballverein Fürth. Der Stürmer starb 1943 in Auschwitz FOTO: ARCHIV