Jetzt wird‘s persönlich

„Ist Wulff der neue Sarkozy?“, fragen sich die Grünen, nachdem Niedersachsens Ministerpräsident im Gästehaus der Landesregierung ein Interview über Scheidung, Heirat und Geburt gegeben hat

VON KAI SCHÖNEBERG

Politik ist Politik, Privates privat, wehren der Ministerpräsident und seine Wasserträger Journalisten-Anfragen zur Beziehungskiste des Regierungschefs regelmäßig ab. Um dann doch, je nach Reichweite des Mediums, Ausnahmen zuzulassen, die dem spröden Hannover mittlerweile einen Hauch von Paris, Christian Wulff und seiner Amour Fou einen Ruf wie Nicolas Sarkozy und Carla Bruni eingebracht haben. Wenigstens für niedersächsische Verhältnisse: Das karge Flachland zwischen Elbe und Ems haben seit dem Schnitzelkrieg der Schröders nicht mehr solche Fluten von People-Berichterstattern heimgesucht.

Nicht im Elysée, sondern, voilà, im Gästehaus der Landesregierung trug es sich zu, dass Christian „Speedy“ Wulff, seine schwangere Bettina Körner und die Crew von Bild am Sonntag sich zum „Paar-Check“ einfanden. Entspanntes Plaudern über Schwangerschaftskurse, Scheidung, Heirat, Geburt und den „Kratzebart“, den der Ministerpräsident wegen einer verlorenen Wette tragen will. Schlagzeile des BamS-Opus: „So privat wie noch nie“.

Hübsche Fotos. Nur: Leider hört der Neid der bösen Opposition nie auf. Während die SPD das opulente BamS-Interview eisern totschweigt – Frau und Herr Jüttner hatten es ja schon in der Bunten mit einer Homestory versucht –, wollten es die Grünen am Freitag genauer wissen. Fraktionschef Stefan Wenzel kletterte auf eine Leiter, um die Straße, in der die repräsentative Interview-Lokation aus der Neorenaissance liegt, kurzerhand in „Boulevard Wulff“ umzubenennen.

Ein Fingerzeig zur Boulevard-Presse? Oder gen Westen, zur Stadt der Liebe und ihrem liebestollen Turbo-Präsidenten. Auf jeden Fall darauf, dass Wenzel die „immer aufdringlichere Vermischung von Privatem und Politik im öffentlichen Auftreten des Ministerpräsidenten“ gewaltig stört. Ist Wulffi unser neuer Sarko?

Der Grüne kritisiert, dass in dem von Steuergeldern unterhaltenen Gästehaus „endlich die im ganzen Land mit Spannung erwartete Information gegeben wurde, welchen Namen Frau Körner nach der Heirat zu führen gedenkt“.

Ein Wulff-Sprecher stammelte, im Interview sei es auch um Politik gegangen. Ja. Auf die Frage, ob ihm die konservativen CDU-Wähler das Ende der Beziehung zu seiner Frau Christiane übel genommen hätten, antwortet Wulff: „In Hessen sind die Verluste in katholischen Hochburgen größer.“ Außerdem sagt er einen Nebensatz zu den laufenden Koalitionsverhandlungen.

„Wulff wird Schröder immer ähnlicher“, meint Wenzel. Auch der Ex-Kanzler habe „versucht, mit Bild, BamS und Boulevard zu regieren“. Wenzel kündigte an, dass die BamS-Story ein parlamentarisches Nachspiel hat: Sowohl „der Anlass wie auch der Ort des offensichtlich privaten Presseempfangs“ sind den Grünen Anlass zu einer Kleinen Anfrage im Landtag.

Welche politischen Interessen Niedersachsen an der Durchführung des „Paar-Checks“ im normalerweise offiziellen Besuchen der Landesregierung vorbehaltenen Gästehaus habe, wollen die Grünen wissen. Und, ob es eine Leitlinie gibt, die die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Personal des Landes für private Anlässe regelt.