Schulen geben „Anlass zu Sorge“

Experten geben dem Bremer Schulsystem und dem Unterricht miserable Noten. Bisher waren solche Evaluationspapiere streng vertraulich. Die Senatorin will erst Ende der Woche Stellung nehmen

von Klaus Wolschner

Seit Jahren werden schon Bremer Schulen von externen Experten-Teams „evaluiert“. Die Ergebnisse sind bislang immer streng vertraulich gewesen. Behörden und Schulleitungen hielten die brisanten Erkenntnisse unter Verschluss. Nun gibt es erstmals eine offizielle Zusammenfassung. Das Ergebnis ist verheerend.

Das „Kerngeschäft der Schule, der Unterricht, gibt Anlass zu großer Sorge“ in Bremen, schreiben die Experten. Und verweisen darauf, dass sie dies schon, streng vertraulich, vor einem Jahr festgestellt hätten – ohne dass es hernach erkennbare Bemühungen um Verbesserungen gegeben habe. Weder würden SchülerInnen hinreichend unterstützt noch Leistungsstarke ausreichend gefordert. Die Folge: „Schwächere Schüler hängen ab, leistungsstärkere Schüler sind gelangweilt.“

Es gebe durchaus in den Bremer Schulen „vereinzelt“ guten Unterricht, aber diese Beispiele würden „in der Regel weder in der eigenen Schule noch bremenweit wahrgenommen“. Der Anteil an „schüleraktivierendem Unterricht“ sei gering wie eh und je. Zwar gibt es einen „Orientierungsrahmen Schulqualität“, der pädagogische Maßstäbe beschreibe, daran orientierte sich aber offenbar niemand.

Das entspricht ziemlich exakt dem, was der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Jürgen Baumert, vergangene Woche in Bremen vorgetragen hat. Wenn es in zwei Jahren die bundesweite Überprüfung von „Mindeststandards“ gebe, dann müsse Bremen sich warm anziehen: Nach seiner Schätzung könnten bis zu 50 Prozent der bremischen Schüler darunter liegen, sagte Baumert. Über die bremischen Abitur-Aufgaben würde man sich in Süddeutschland „totlachen“.

Die Evaluatoren haben aber nicht nur das Verhalten der Lehrkräfte unter die Lupe genommen, sondern auch Strukturen. Die meisten Schulleitungen seien von ihrer Aufgabe überfordert, sie würden „nicht wirklich gut leiten“. Auch die Behörde bekommt ihr Fett ab. Dass LehrerInnen der weiterführenden Schulen nicht erführen, welche Probleme ihre Schüler bisher hatten und wie sie gefördert wurden, das gebe es „nur in diesem Bundesland“. Wichtige Informationen würden den Pädagogen vorenthalten: Spracheingangstests bei Schulbeginn – in Bremen Fehlanzeige. Und die regionale Zusammenarbeit der Schulen scheitert an der „Struktur der Schulaufsicht“. An den Sekundarschulen und an den sechsjährigen Grundschulen bildeten sich wieder „Restklassen“ – ohne dass die Bildungspolitik reagiere. Die „Partizipation“ der Schüler sei überraschenderweise „gerade in Bremen“, das auf seine demokratische Tradition so viel gebe, völlig unterentwickelt. Insbesondere verzichten die Schulen auf wichtige „schulinterne Rückmeldeverfahren über Unterricht“. Und so weiter.

Als der „PISA-Papst“ Baumert jüngst ein paar kritische Bemerkungen über die Lehrerschaft machte, fuhr die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schweres Geschütz auf: „Karnevalistisches Getöse eines bildungspolitischen Aschermittwochs“ seien das, so die GEW.

Die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) will sich erst Ende der Woche zu dem Baumert-Kritik und dem Evaluationsbericht äußern. Bei dem grünen Koalitionspartner aber ist die Botschaft angekommen. Bremen müsse dringend seine Anstrengungen konzentrieren, sagt deren bildungspolitische Sprecherin Anja Stahmann.

Der Evaluatoren-Bericht findet sich unter www.mehr-dazu.de