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Archiv-Artikel

Live-Clubs halten Hand auf

Am Mittwoch wollen Hamburgs Konzertclubs mal wieder symbolisch die Clubkultur zu Grabe tragen. Ihre Betreiber fordern mehr Unterstützung durch die Politik. Geht sonst die Popkultur den Bach runter? Oder gelten hier die selben Regeln wie für andere Wirtschaftsbetriebe auch? Ein Pro und Contra

pro

Es gibt ja viele, die können das Gejammer nicht mehr hören. Clubs kommen, Clubs gehen, so ist das im real existierenden Kapitalismus. Und dagegen ist wenig einzuwenden, falls anstelle der alten Clubs neue aufmachen, mit neuen Ideen und vielleicht auch neuem Personal. Eine Musikszene, die sich nicht bewegt, ist tot. Insofern ist der Slogan „Clubkultur – heute in Not – morgen tot!“, mit dem die Hamburger Clubs nun vor das Rathaus ziehen wollen, um sich selbst „zu Grabe zu tragen“, nicht nur melodramatisch. Sondern Quatsch.

Not könnte auch erfinderisch machen, gerade in einer Stadt wie Hamburg, die immer noch über große Ressourcen verfügt. Dass es die schönsten Blüten der Popkultur regelmäßig weghaut – nun ja, das ist halt Schicksal, wenn sie sich in Abbruchhäusern ansiedeln. Dann ziehen sie eben um, das ging dem „Tresor“ in Berlin auch nicht anders, um mal ein Beispiel aus der Hauptstadt zu nennen.

Was in Berlin allerdings wirklich anders ist als in Hamburg: Es gibt vorerst immer noch genügend Orte, wo man sonst noch hingehen kann. In Hamburg, der Stadt der maximalen Kapitalverwertung, sind die Zyklen für Zwischennutzungen kürzer, Leerstände will man sich nicht leisten. Und so ist, was in Berlin-Mitte, Kreuzberg oder Prenzlauer Berg zu beobachten ist, in Hamburg gar nicht möglich: Dass nämlich an jeder Straßenecke, kaum dass man sich umgedreht hat, neue Clubs aus dem Boden schießen, in der DJs eine noch nie da gewesene Country-Elektrovariante auflegen.

Kreativität lässt sich nicht verordnen, und in Berlin ist sie auch die Kehrseite einer Verzweiflung, die nicht weiß, woher das Geld für den nächsten Monat kommen soll. Hamburg ist reich, und das ist nichts Schlechtes. Es fehlt aber das Sensorium für die Bedingungen, unter denen sich Kulturproduktion entfalten kann. Nur: Die Lösung für die Clubszene sind bestimmt keine Förderprogramme, wo Beamte auf Geldtöpfen sitzen und Anträge geschrieben werden müssen. Es würde schon reichen, nicht sofort die Abrissbagger anrollen zu lassen, kaum dass der nächste Investor winkt.

Wenn die Mieten in einer Stadt so teuer werden, dass sich Experimente immer auch rechnen müssen, gibt es keine Experimente mehr. Auf der Liste der jüngsten Hamburger Schließungen – Nobistor, „Tanzhalle“, „Schilleroper“ – finden sich ausgerechnet die Orte, an denen die Hamburger Clubszene dabei war, einen neuen, eigenen Stil jenseits der eingesessenen Rockclubs zu finden. Dafür braucht es Räume, die dem unmittelbaren Verwertungsdruck entzogen sind. Das kann doch nicht so schwer sein, oder?DANIEL WIESE

contra

Hamburgs Clubbetreiber fordern eine „clubkulturelle Grundversorgung“ für die Hansestadt – getragen durch geringere Außenwerbekosten, die Abschaffung von Stellplatzabgaben und die Förderung der Weiter- und Ausbildung von Nachwuchs. Es stellt sich die Frage: Mit welchem Recht? Warum sollte die Stadt Clubs über das Maß hinaus fördern, in dem dies bereits geschieht? Immerhin unterstützen die Hamburger Behörden das jährliche „Reeperbahnfestival“, sie loben alljährliche Prämien für einzelne Clubs aus – und sie bieten den Betreibern kleinerer Clubs neuerdings sogar die Möglichkeit, kostenlos auf „City-Light“-Postern zu werben. Vor diesem Hintergrund den bewusst in Kauf genommenen Tod der Clubkultur zu proklamieren, wie es nun das „Clubkombinat“ tut, ein „Verband Hamburger Club-, Party- & Kulturereignisschaffender“, ist vor allem eines: dreist.

Sicher: Es stimmt traurig wenn Musikclubs sterben, vor allem wenn es jene sind, die man selbst lieb gewonnen hat. Aber es ist doch so, dass Clubbetreiber – wie jeder andere Unternehmer auch – sich ihres finanziellen Risikos von Anfang an bewusst sind. Außerdem kann sich in einem Stadtteil wie St. Pauli niemand über mangelnde Möglichkeiten der Vermarktung beschweren. Die Kunden laufen den Betreibern schließlich vor der Nase herum: Abertausende von Touristen quälen sich jedes Wochenende durch das Viertel – man muss ihnen nur etwas bieten, das sie interessiert. Dass das gerade den kleineren Clubs nicht immer gelingt, ist schade, aber es folgt den Regeln des Marktes. Und die Mehrzahl der Besucher der Reeperbahn kommt mittlerweile eben nicht mehr wegen der Clubs – es sei denn, die bieten „Flatrate-Saufen“ an.

Vielleicht muss Hamburgs Clubszene einfach umdenken: Die Zeit, in der eine Partymeile ein Erfolgsmodell für alle war, ist offenbar vorbei. Eventuell bringt eine Verteilung der Clubs über Hamburgs gesamtes innerstädtisches Gebiet den Wandel: weg von der direkten Konkurrenz durch all die massenkompatiblen Sauf- und Mitgröhlhallen auf der Reeperbahn, hinein in die Stadtteile. Das Potential zu mehr als einem Kiez kann man einer Großstadt wie Hamburg durchaus zugestehen. Das Beispiel der Club-Ansiedlungen im ehemaligen Karstadt-Gebäude im benachbarten Viertel Altona zeigt schließlich, dass es auch außerhalb von St. Pauli und seinen teils exorbitanten Mieten geht.

Die gut gefüllten Tanzflächen im dortigen „Click“ oder Exil-„Hafenklang“ sprechen da für sich: Clubbegeisterte Hamburger brauchen es schon längst nicht mehr, das Kulturkonzentrat St. Pauli. CLAAS GIESELMANN