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Archiv-Artikel

BERLIN SCHEUT SICH, VERANTWORTUNG FÜR AFGHANISTAN ZU ÜBERNEHMEN Feigheit vor dem Freund

Die Deutschen seien „in den letzten zehn Jahren schon einen weiten Weg“ in Sachen Krieg gegangen, bat Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz um Verständnis dafür, warum seine Regierung die Bundeswehr nicht auch noch in den besonders schwierigen Süden Afghanistans schicken will. Viele deutsche Außen- und Verteidigungspolitiker begründen ihre Zurückhaltung gegenüber solchen Plänen damit, dass die Bundeswehr vom Bundestag mandatiert werden muss, der wiederum vom Wähler mandatiert wird. Und der deutsche Wähler sei nun einmal nicht besonders kampfeslustig.

Schon richtig: Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr. Doch das ist kein guter Grund für die Haltung der Politiker. Schließlich scheren sie sich ja sonst auch nicht so um den Wählerwillen. Bei den meisten politischen Großprojekten hatte es die Koalition mit einer ausgesprochen skeptischen Bevölkerung zu tun. Es hat bisher jedoch niemanden im Kabinett beeindruckt, dass kein Mensch im ganzen Land den „Gesundheitsfonds“ befürwortet. Die Rente mit 67 wird von einer gewaltigen Mehrheit abgelehnt. Irritiert das die Regierung? Nein. Politiker interessieren sich nicht dafür, was ihre Wähler denken, sondern sorgen sich allein um die Zustimmungswerte ihrer Parteien. Dass die aber vom Einsatz in Afghanistan abhängig sind, ist fraglich. Bislang jedenfalls registriert die deutsche Öffentlichkeit die deutschen Todesopfer am Hindukusch relativ nüchtern.

Nein, die Bundesregierung ist tatsächlich feige. Nicht deshalb, weil sie keine deutschen Truppen im Süden Afghanistans stationieren will. Dafür hat sie gute und sachliche Gründe. Sondern vielmehr, weil sie nicht bereit ist, diese Gründe in der Nato oder gegenüber der deutschen Öffentlichkeit ausführlicher zu vertreten.

Das dürfte damit zu tun haben, dass ein vehementeres Eintreten für eine neue, zivilere Afghanistanstrategie in der Nato schnell neue Aufgaben nach sich ziehen könnte. Die aber werden in Berlin gescheut. Das sollte man dann aber auch offen zugeben – und sich nicht plötzlich hinter dem Wählerwillen verschanzen. ULRIKE WINKELMANN