: Sicher: Hirche wird 67
Ab heute beraten FDP und CDU in Niedersachsen in Klausur über die nächsten fünf Regierungsjahre: Erst werden die wichtigsten Streitpunkte geklärt, dann die offenen Personalfragen
VON KAI SCHÖNEBERG
Kommt die große Kabinettsumbildung? Eher nein. Auch mehr als zwei Wochen nach der Niedersachsen-Wahl hält Christian Wulff zwei Personalia geheim. Der Mut zur großen Verjüngung oder zur dritten Frau in Verantwortung fehlt dem CDU-Ministerpräsident aber offenbar: Wegen aufständischer Abgeordnete aus seiner emsländischen Heimat gilt das Überleben von Bernd Busemann als Chef des Bildungsressorts als wahrscheinlich, ähnliches wird über den Oldenburger Wissenschaftsminister Lutz Stratmann gemunkelt. Abtrünnige aber kann Wulff nicht gebrauchen: CDU und FDP verfügen nur noch über die zarte Mehrheit von fünf Stimmen.
Was genau wird, weiß nicht mal die CDU: Die Wahl der Fraktionssprecherposten wurde um eine Woche verschoben, weil Wulff noch Abgeordnete auf Chefposten hieven könnte. Sicher scheint zwölf Tage vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags nur, dass Wirtschaftsminister Walter Hirche am heutigen Mittwoch seinen 67. Geburtstag begeht – und dass das für den FDP-Haudegen nicht die Rente heißt. Er dürfte wie sein Parteikollege Hans-Heinrich Sander (Umwelt, 62) im Amt bleiben.
Feiern wird Hirche bei der zweitägigen Koalitionsklausur von FDP und CDU. Heute ab zehn Uhr tagen jeweils sechs Unterhändler im Gebäude der Nord/LB. Die Themen:
Bildung: Dreigliedrig soll das Schulsystem bleiben, aber das Gründungsverbot für Gesamtschulen gelockert werden. Außerdem ist für die CDU klar, dass Haupt- und Realschule enger verdrahtet werden müssen. Die FDP drängt auf eine Schulleiterakademie, um Rektoren besser auf die „Lenkungsaufgaben“ der eigenverantwortlichen Schule vorzubereiten.
Hochschulen: Die FDP ist offenbar mit ihrem Wunsch gescheitert, dass die Universitäten die Höhe der Studiengebühren selbst festlegen können. Während die CDU Gebühren-Ausnahmen für ehrenamtliche Studenten fordert, wollen die Liberalen Einser-Kandidaten bevorzugen.
Inneres/Justiz: Oft hat sich die FDP hier von der CDU über den Tisch ziehen lassen. Nun wollen die Liberalen bei den von CDU-Innenminister Uwe Schünemann geforderten Online-Durchsuchungen und der vorbeugenden Telekommunikationsüberwachung bei Terrorgefahr hart bleiben. Beim Jugendstrafrecht sind beide weiter für den Warnschuss-Arrest. Die FDP fordert mehr Stellen in der Justiz.
Umwelt: Kaum Reibungspunkte. CDU und FDP wollen das Erkundungsmoratorium in Gorleben so schnell wie möglich aufheben, von anderen Bundesländern werden Ausgleichzahlungen für die Inbetriebnahme von Schacht Konrad als Lager für schwach strahlenden Atommüll erwartet. Statt für neue Flächen sollen Bauherrn für die Rekultivierung vorhandener Ausgleichsareale zahlen.
Soziales/Gesundheit: Frühzeitige Lockerungen beim Nichtraucherschutz hat die CDU bereits abgeblockt. Ihre Hauptforderung: drei Gratis-Kitajahre bis 2013. Die FDP will Betreuungs-Gutscheine für Familien nach Hamburger Vorbild. Mit der „Kita-Card“ sollen Eltern zwischen Kindergärten oder Tagesmutter wählen können. Umstritten: Die Ausweitung der Landesöffnungszeiten in Urlaubsregionen.
Wirtschaft: In der vergangenen Legislaturperiode hat das Land Vermögen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro verkauft – und damit die Kassen saniert. Die FDP beißt mit ihrer Forderung, Anteile von VW und Salzgitter zu verhökern, weiter auf Granit. Nun könnten Messe AG oder der Flughafen Hannover verkauft werden. Mit den Erlösen sollen Innovationen gefördert werden.
Medien: Die CDU fordert die Zulassung von privatem Lokal-TV im Land. Das dürfte die Printmedien Werbekunden kosten.