ortstermin : Ganz alte Schule
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rand des Nachrichtenstrom
Der ältere Herr mit den grauen Haaren und dem grauen Anzug lächelt wie auf den Wahlplakaten, mit denen er sich als zukünftiger Hamburger Bürgermeister preist. Es ist ein Lächeln, dass man Michael Naumann (SPD) abkaufen kann: Es ist milde. Seine linke Hand, an der ein goldener, schnörkelfreier Ehering zu sehen ist, wippt auf der schwarz lackierten Theke wohlwollend, aber taktlos zum Beat. So sieht es aus, wenn Michael Naumann bei einer Veranstaltung unter dem Titel „Hip Hop meets Politics“ den Hip Hop trifft.
„Wir haben bemerkt, dass die meisten Wahlkampfveranstaltungen nur 30+ ansprechen“, sagt Johannes Roßberg, Kreisvorsitzender der Jusos in Altona und gleichzeitig Organisator. Es sei eine Kneipenidee gewesen. Was in Biergeselligkeit auf einem Bierdeckel niedergeschrieben wurde, war die Idee, Rapper, die den Problemen einer perspektivlosen Jugend am nächsten stehen – bringt das Genre ja so mit sich – mit Naumann an einen Tisch zu bringen. Hier, bei einem Rap-Contest mit jungen Rappern aus der Hip Hop Academy im Hamburger Club KIR, kann der ehemalige Bundes-Kultusminister mal zeigen, dass auch er für diese Jugendlichen ein Ohr hat. Eine prima Idee. Wäre da nicht das unausgewogene Verhältnis im Publikum: ungefähr ein Hip-Hop-Fan auf zwei Sozialdemokraten.
Direkt vor dem Eingang des KIR steht Süleyman und geht noch einmal seinen Text durch. Sein Künstlername ist Hunter. Das Lampenfieber hat ihn gepackt, nicht wegen der Zuschauer, sondern wegen der Kamerateams von ARD und Hamburg 1. MC Hunter will sein Bestes geben, denn neben dem medialen Interesse gibt es auch noch ein beachtliches Preisgeld: 400 Euro für den erstplatzierten Künstler und für die folgenden Plätze 200 und 100 Euro.
Es geht los mit dem ersten Auftritt der Band SMA. Johannes Roßberg moderiert sie mit „ S-M- Ey“ an und prompt kommt ein aufgebrachtes „S-M-Ah, Alter“ aus dem Publikum zurück. Der Juso mit den Lackschuhen und schwarzem Wollpulli wird seiner übertriebenen englischen Aussprache aber treu bleiben: „Jetzt kommen die Äcters.“ Alle Künstler machen eine gekonnte Show. Walter Zuckerer, neben seiner Funktion als Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft auch Hauptsponsor des Preisgeldes, versucht seinen Kopf im Takt zu bewegen. Dass die Texte kein Gangster-Rap-Klischee erfüllen ist für die SPD erfreulich, aber gespannt war man vorher trotzdem. „Denn die haben keine Demos eingeschickt“, sagt Cathrin Herweg, Distriktsvorsitzende der SPD für Hamburg Ottensen. Als eines von insgesamt vier Jury-Mitgliedern kennt sie sich aus mit der Materie Rap: „Ich hab mal Hip Hop getanzt.“
Als die Bühne leer ist, nimmt der Hauptact, Michael Naumann, Platz auf der Stage. Flankiert wird er von den Rappern und Roßberg. Jetzt darf diskutiert werden. MC Sebiastano, der das Lied „Respekt“ vorgetragen hat, will von Naumann wissen, wie er über Respekt denkt. Der Politiker antwortet: „Erst einmal ist Respekt R-E-S-P-E-C-T für mich.“
Die Diskussion stockt bei Floskeln über gleiche Bildungschancen für alle und wird erst wieder interessant, als Zuckerer die Gelegenheit nutzt mal was klar zu stellen: „Als ich letztens von jemandem angesprochen wurde, der meinte, Hip Hop ist tot und die Veranstaltung blöd, habe ich ihm entgegnet, vielleicht bist du ja tot in deinem Kopf, denn Hip Hop lebt.“ Einer betritt die Bühne und will wissen, was denn für Lurup, Mümmelmannsberg und andere Problemviertel getan werden würde, falls die Wahl für die Sozialdemokraten positiv ausfällt. Naumann setzt an und sagt: „In dem Viertel, in dem ich in Köln aufgewachsen bin, war es so schlimm, dass Mümmelmannsberg wie Eppendorf wirkt.“ Eppendorf ist ein Hamburger Nobelviertel und dafür gibt es von Seiten einiger Jungs die Antwort: „Was? Scheiß auf Köln!“ THOMAS EWALD