: Bremen will zurück zu ABM
Statt Ein-Euro-Jobs will die rot-grüne Koalition ordentlich bezahlte Stellen für gemeinnützige Aufgaben schaffen. Sie sollen vor allem den armen Stadtteilen zugute kommen. Hamburgs Grüne fordern ähnliches, die Elb-CDU setzt auf reguläre Jobs
Auch Hamburgs Grün-Alternative Liste will weg vom Ein-Euro-Programm und stattdessen „Beschäftigungsmaßnahmen im zweiten und dritten Arbeitsmarkt“ schaffen. Die vom Staat bezahlten Jobs sollen demnach vor allem zur sozialen Stadtteilentwicklung beitragen. Ein Drittel des Etats für Arbeitsmarktpolitik zuzüglich der Zahlungen aus dem Europäischen Sozialfonds will die GAL dafür ausgeben. In Kombination mit Hilfen zur Existenzgründung, Bildungsangeboten, Gesundheitsangeboten und Beteiligung sollen sie Problemvierteln auf die Beine helfen. Ein-Euro-Jobs soll es nur noch zur Grundqualifizierung geben und um Fähigkeiten und Neigungen festzustellen. Nach den Vorstellungen der GAL würden Arbeitslose in der Regel auf zweijährigen ABM-Stellen soziale und kulturelle Projekte in den Stadtteilen unterstützen und sich dabei qualifizieren. Mit Hilfe von Kombi-Löhnen sollen auf Dauer angelegte Jobs dieser Art finanziert werden. Auch die lokale Wirtschaft könne so gefördert werden. Ältere Langzeitarbeitslose ohne Aussicht auf reguläre Jobs sollten nach Meinung der GAL vom Staat dauerhaft für gemeinnützige Tätigkeiten bezahlt werden. KNÖ
VON KLAUS WOLSCHNER UND GERNOT KNÖDLER
Die rot-grüne Koalition in Bremen hat gestern Weichen gestellt auf einem Feld der Sozialpolitik, das für ihr Selbstverständnis zentral ist: Es soll in Zukunft weniger prekäre „Ein-Euro-Jobs“ geben, die Mittel sollen stattdessen genutzt werden, mehr Langzeitarbeitslosen sozialversicherungspflichtige Stellen als Fördermaßnahmen anzubieten.
„Bremen Produktiv und Integrativ“ ist der Titel des Programms. Es wird in diesem Jahr um die 3.300 Beschäftigungsverhältnisse auf dem zweiten Arbeitsmarkt geben, davon 600 bis 700 sozialversicherungspflichtige. „Es ist uns wichtig, dass wir gerade Menschen, die ganz wenig Chancen im ersten Arbeitsmarkt haben, eine längerfristige Perspektive bieten können“, sagte Arbeitssenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD). „Gleichzeitig wird damit gesellschaftlich wichtige Arbeit in den benachteiligten Stadtteilen geleistet.“ 300 solcher Stellen soll es geben.
Bremen und Bremerhaven gehören zu den bisher wenigen Kommunen in Deutschland, die diesen Weg zum Ausbau des sozialen Arbeitsmarktes schon beschreiten. Die Hamburger Grünen sind im Wahlkampf mit einem ähnlichen Konzept angetreten (siehe Kasten). Der bis dato an der Elbe regierende CDU-Senat hingegen setzte vor allem darauf, die Förderung mit dem ersten Arbeitsmarkt zu verbinden. Er hat einen Teil des Geldes für Ein-Euro-Jobs in Kombilohn-Modelle umgeleitet. Der Senat subventioniert die Beschäftigung und Nachqualifizierung ehemaliger Langzeitarbeitsloser über einen gewissen Zeitraum.
Die Wirkung der Ein-Euro-Jobs ist von verschiedenen Seiten immer wieder in Zweifel gezogen worden. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit machen sie quantitativ den größten Teil der Arbeitsmarktförderung im Rahmen der Grundsicherung (Arbeitslosengeld II/ ALG II) aus. Sie helfen aber nicht allen Gruppen gleichermaßen, eine reguläre Arbeit zu finden. Bei westdeutschen Frauen wirkt das Programm besonders gut, bei unter 25-Jährigen gar nicht.
Die Bremer Arbeitnehmerkammer, eine der Handelskammer nachempfundene Interessenvertretung aller ArbeitnehmerInnen begrüßt es, dass die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse ausgebaut werden sollen. Das von der Bremer rot-grünen Koalition beschlossene Programm bedeute aber „bestenfalls eine Stabilisierung“ der Fördermaßnahmen, „obwohl die Koalition anderes versprochen hat“.
Die Kammer verweist darauf, dass sich trotz eines zunehmenden Stellenangebotes die Zahl der ALG II-Bezieher im vergangenen Jahr kaum verringert hat. Der Rückgang betrug im September 2007 im Vergleich zum Vorjahr in Bremen vier Prozent, in Bremerhaven 3,4 Prozent. „Somit ist in Zeiten dauerhafter Unterbeschäftigung und gering bleibender Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen eine erhebliche und langfristige Förderung in einem Zweiten Arbeitsmarkt notwendig.“
Grundsätzlich richtig, aber unzureichend findet die Linkspartei das neue Programm. Die linke Bürgerschaftsabgeordnete Inga Nitz meinte: „Anstatt sich konsequent auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu orientieren, wird nach wie vor in großem Stil auf Ein-Euro-Jobs gesetzt. Die von der BAgIS, der Bremer Variante der Arbeitsgemeinschaft aus Bundesanstalt für Arbeit und Kommune, bereitgestellten Kontingente für sozialversicherungspflichtige Stellen würden gar nicht ausgeschöpft. „Arbeitsmarktpolitisch ist das ein Skandal.“
Die Beschäftigungsträger kritisieren vor allem, dass die „niedrigschwelligen“ Ein-Euro-Jobs reduziert werden, die für Langzeitarbeitslose gedacht sind, die von einem verbindlichen Arbeitsprojekt überfordert wären. Da es aus Projekten mit Ein-Euro-Jobbern normalerweise keine Einnahmen gab, bekamen die Beschäftigungsträger großzügig „Regiekosten“ erstattet. Der Wegfall dieser Einnahmen zwingt die Träger zu drastischen Sparmaßnahmen bis hin zu Entlassungen.