: Stille Post mal anders
Seit elf Jahren findet einmal im Monat im B-Movie das Gehörlosenkino statt. Nun sind experimentierende Studentinnen und Seminarleiter zu Gast, um einen Film über Gebärdensprachkritik im öffentlichen Raum zu zeigen
Jeden ersten Dienstag im Monat gibt es im B-Movie Kino für Gehörlose. Die Notwendigkeit, Kino für Menschen anzubieten, die nicht hören können, mag sich dabei einem Hörenden nicht sofort erschließen. Sollen die doch fernsehen, mag mancher denken. Eine spezielle Ausgabe der Tagesschau mit einer eingeblendeten Dame, die gebärdet, gibt es schließlich schon. Sollen sie doch ausländische Filme gucken, die haben Untertitel. Oder Stummfilme.
Doch genau dabei wollen es Sonja Roczek und Silja Ebeling nicht belassen. Vor elf Jahren haben sie den Kinotreff, der sich ausdrücklich an Gehörlose, Schwerhörige und Hörende gleichermaßen richtet, ins Leben gerufen. Ihnen geht es vor allem darum, Hörende und Gehörlose zur gemeinsamen Kommunikation und zum Austausch zu ermutigen. Und natürlich über Gehörlosigkeit zu informieren. Gezeigt werden Filme, die Sprache und Geräusch auf der einen Seite und Sprachlosigkeit und Stille auf der anderen ins Bewusstsein rücken. An der Bar des B-Movie kann man sich anschließend austauschen. Eine fabelhafte Gelegenheit, einen Einblick in die Gebärdensprachkultur zu bekommen.
Vor allem an diesem Dienstag. Denn dann zeigen Teilnehmerinnen eines Seminars, denen es um eine experimentelle Herangehensweise ans Gebärden geht, ihren Film. Ausgangspunkt war dabei eine Reihe von Fragen: Welche künstlerische Ausdrucksformen sind mit Gebärdensprache möglich? Ist es möglich, Gebärden von ihrem Sinn zu lösen? Wie sieht eine Sprachkritik der Gebärdensprache aus? Und daraus ergibt sich: Was sind dann die künstlerischen Konsequenzen?
Ein halbes Jahr lang versuchten sie, der Sache auf den Grund zu gehen. Herausgekommen sind ein Film und eine Reihe von Experimenten. In einer Aktion wurde beispielsweise eine stille Post durch eine U-Bahn geschickt. Die Studentinnen gebärdeten während der Fahrt durch die Glasfenster zwischen den Abteilen hindurch, um danach festzustellen, dass man sich nicht nur als Geheimnisträger gefühlt hat, sondern geradezu subversiv. Auch die Reaktionen der Passagiere – die nicht nur Desinteresse zeigten – waren überraschend. So klinkte sich zum Beispiel eine gehörlose Frau in die Aktion ein, die nur zufällig an dem Tag in der Bahn fuhr, und dann mitgebärdete.
Thema des Films am Dienstag wiederum ist eine Aktion in der Europapassage, während der die Studentinnen an einem belebten Sonntagnachmittag die Architektur des Gebäudes mit ihren Körpern nachzuzeichnen versuchten und sich mit ihrer eigenen Wahrnehmung gestisch auseinandersetzten. Dementsprechend groß war auch die Kluft zwischen den sonntäglichen Flaneuren, die nicht an der Aktion beteiligt waren und den Studentinnen, die sich in allen möglichen und unmöglichen Weisen der Architektur anpassten.
Zur Vorführung werden die Akteurinnen anwesend sein, im Anschluss kann man sowohl das Gelingen als auch die Schwierigkeiten einer solchen Aktion mit ihnen besprechen. Hören können muss man dazu natürlich nicht. Eine Gebärdendolmetscherin ist ebenfalls da.REBECCA CLARE SANGER
Di, 4. 3., 20 Uhr, B-Movie, Brigittenstraße 5