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Archiv-Artikel

Chefinnen sparen Schmiergeld

Unternehmen mit Frauen an der Spitze machen höhere Gewinne. Und auch ganze Volkswirtschaften kommen mit mehr Frauen besser in Schwung

VON BEATE WILLMS

Frauen gehen nicht ins Bordell. Jedenfalls nicht mit ihren Vorstandskollegen und Geschäftspartnern. Sie haben so gut wie nie an dem teil, was im Rheinland freundlich Klüngel, woanders ehrlicher Vetternwirtschaft oder Korruption heißt. Affären mit Schmiergeld, Mätressen, Lustreisen und Sexpartys wie bei Elf Aquitaine oder Volkswagen sind bei Unternehmen mit mehr Frauen in den oberen Etagen kaum vorstellbar. Das belegt auch eine Umfrage der französischen Wirtschaftsprüfergesellschaft Ricol, Lasteyrie & Associés im Auftrag des Women’s Forum for the Economy and Society aus dem vergangenen Herbst. „Korruption scheint vor allem eine Angelegenheit von Männern zu sein“, ist das Fazit der Experten. Frauen seien „eher prädestiniert, Korruption zu verhindern“.

Die Untersuchung gehört zu einer wachsenden Reihe von Erhebungen, mit denen Betriebswirtschaftler derzeit herausfinden wollen, was Unternehmen davon haben, wenn mehr Frauen im Betrieb, Vorstand oder Aufsichtsrat arbeiten. Die Ergebnisse zeigen eine klare Tendenz: Die Firmen profitieren nicht nur moralisch, sondern auch finanziell.

Beim Thema Korruption ist das offensichtlich: Wenn sich ein Manager bestechen lässt und einen Auftrag zu überhöhten Preisen vergibt, zahlt das Unternehmen drauf. Sollte auch noch bekannt werden, dass Schmiergelder geflossen sind, kommt ein Imageschaden dazu, der dann mit – ebenfalls teuren – Marketingmaßnahmen begrenzt werden muss. Die Experten der Wirtschaftsberatung PriceWaterhouseCoopers schätzen, dass allein die weltweit bekannt werdenden Korruptionsfälle die deutschen Unternehmen jährlich rund 6 Milliarden Euro kosten.

Sexparties und Mätressen

Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten sind aber nicht nur gut, wenn es darum geht, kriminelle Energie zu bremsen. Sie verhelfen ihrem Unternehmen auch im Alltagsgeschäft zu mehr Erfolg. Das haben die US-Frauenorganisation Catalyst und die Unternehmensberatung McKinsey Ende 2007 gezeigt. Die Wissenschaftlerinnen von Catalyst untersuchten die 500 größten börsennotierten Unternehmen in den USA. Die McKinsey-Experten verglichen die 89 europäischen Aktiengesellschaften, die die meisten Frauen im Topmanagement hatten, mit den durchschnittlichen Ergebnissen gleich großer AGs. Übereinstimmendes Ergebnis: Unternehmen mit mehr Frauen in Spitzenpositionen machen höhere Gewinne und sind in ihrem Erfolg nachhaltiger. Die Eigenkapitalrendite der US-Firmen mit der größten Frauenpower lag um 53 Prozent höher als die von Unternehmen ohne Frauen im Vorstand, die Gesamtkapitalrendite sogar um 66 Prozent. Auch bei den europäischen Unternehmen kamen diejenigen mit den meisten Frauen in den Spitzengremien auf einen Gewinn, der 48 Prozent über dem Durchschnitt lag.

Dabei gibt es allerdings so etwas wie einen Break-even-Point: Damit sich etwas verändert, müssen mindestens ein Drittel der Vorstandsmitglieder Frauen sein. Bleibt eine allein, passt sie sich entweder an oder denkt quer – und nervt damit. Das ist dann oft kontraproduktiv. Denn vor allem Aufsichtsräte und Firmenlenker, die schon lange im Geschäft sind – und da ihrer Meinung nach gut ohne Frauen auskamen – neigen zu Pauschalurteilen: Wenn es mit einer Topmanagerin mal nicht geklappt hat, heißt es schnell: „Wir haben es ja mit einer Frau probiert, es geht eben nicht mit Frauen.“

Die Ergebnisse der Studien erklären die Autorinnen und Autoren mit dem Erfolg von Diversity-Management-Strategien. Die Idee ist, dass Teams aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Qualifikationen und Ideen effektiver arbeiten. „Unterschiedliche Gremienmitglieder bringen unabhängige, kreative Gedanken und frische Perspektiven“, sagt Catalyst-Präsidentin Ilene H. Lang. Im Idealfall kommt es zu innovativen und komplexen Lösungen, die Arbeit macht mehr Spaß, die Mitarbeiter sind motivierter – und statt Cliquenbildung gibt es eine durchlässige Kommunikation. Im Einzelfall kann es auch einfach nur darum gehen, dass Frauen besser wissen, was die Kundinnen kaufen wollen – egal, ob es um eine Finanzdienstleistung oder Geschirrspüler geht. Auch das zahlt sich aus: Schließlich bestimmen Frauen die private Nachfrage heute schon zu 70 Prozent.

Auch in der Makroökonomie gibt es einen Trend, die Beteiligung von Frauen nicht mehr in erster Linie unter ethischen, sondern vor allem unter ökonomischen Aspekten zu betrachten. So haben die Expertinnen der Schweizer Finanzdienstleistungsagentur Crédit Suisse untersucht, wie sich die Partizipationsrate von Frauen und das Wirtschaftswachstum in den EU-Ländern und Japan zwischen 1993 und 2003 entwickelt haben. „Wir schätzen, dass das Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone um 0,75 Prozent steigen würde, wenn 1 Prozent mehr Frauen eine Erwerbsarbeit aufnehmen“, sagt Anja Hochberg, die Chefin der Research-Abteilung.

Mehr arbeitende Frauen brächten zudem „einen Wandel der ökonomischen Struktur der Gesellschaft“. Wer selbst kaum zu Hause ist, bezahlt eher eine Tagesmutter oder eine Putzfrau. „Frauen sind regelrechte Multiplikatoren, was das Wirtschaftswachstum angeht“, sagt Hochberg. Tatsächlich sorgen sie vor allem dafür, dass bislang unbezahlt geleistete Arbeit in Geld fassbar wird und in die offiziellen Zahlen eingeht. Dass die neuen Arbeitsplätze auch angemessen bezahlt werden und so auch insgesamt zu mehr Wohlstand führen, ist allerdings längst nicht gesagt.

Experten beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UN) haben ausgerechnet, was es bedeuten würde, wenn ein genauso hoher Anteil der Frauen wie der Männer arbeiten würde: In den USA würde das BIP um 9 Prozent steigen, in der Eurozone sogar um 13 Prozent. Das heißt: „Wenn Frauen nicht voll auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden, wird nur ein Teil der Arbeitskraft einer Volkswirtschaft genutzt. Ökonomische Ressourcen werden verschwendet.“

Ganz so einfach sieht es Dorothea Schmidt nicht, die als Ökonomin für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) arbeitet: „Rein mathematisch gilt natürlich: Wenn mehr Menschen arbeiten, wächst die Wirtschaft schneller.“ So einfach funktioniert die Makroökonomie in der Wirklichkeit aber nicht. Empirisch findet Schmidt, die den jährlichen ILO-Bericht „Globale Beschäftigungstrends“ miterstellt, „derzeit keinen belastbaren Zusammenhang zwischen der Beteiligung von Frauen und Wirtschaftswachstum“.

Einerseits ist die Region mit dem geringsten Unterschied zwischen den Geschlechtern auch die mit dem meisten Fortschritt und den höchsten Wachstumsraten: In Ostasien gehen 65,2 Prozent der Frauen einer Erwerbsarbeit nach, während es in den Industrieländern im Schnitt knapp 60 Prozent sind. Die ostasiatische Wirtschaft wächst jährlich im knapp zweistelligen Bereich.

Andererseits stieg das Bruttoinlandsprodukt auch in Marokko zuletzt um 9,3 Prozent, obwohl der so genannte „Gender Gap“ in Nordafrika am größten ist: Die Frauenerwerbsquote beträgt hier weniger als 35 Prozent.

Bier oder Waschmaschine

Wenn mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt kommen, kann das die Wirtschaft also ankurbeln, muss aber nicht. Allerdings muss es sie auch nicht bremsen. Nach Schmidts Ansicht ist das in manchen Teilen der Welt sogar die wichtigere Aussage. Warum, wird klar, wenn man die Gründe für den Boom an Untersuchungen zu Gender und Wachstum betrachtet. Ökonomen, die sich mit Entwicklungsperspektiven auseinandersetzen, verfolgen vor allem zwei Interessen: Sie wollen die neokonservative Behauptung widerlegen, dass Frauen Männer vom Arbeitsmarkt verdrängen, dass ihre Konkurrenz für Dumpinglöhne sorgt, die Nachfrage einbrechen lässt – und damit die Wirtschaft kaputtmacht. Vertreter dieser These gibt es auch in den Industriestaaten, vor allem aber in Nordafrika und im Mittleren Osten. „Hier wird eine scheinbar ökonomische Begründung vorgeschoben, um die Diskriminierung von Frauen zu rechtfertigen“, sagt Schmidt. Daneben geht es ihr und ihren Kollegen auch um Perspektiven für die Armutsbekämpfung. Hier setzen die internationalen Organisationen viel auf Frauenförderprogramme. Die Annahme: Wer Frauen stärkt, stärkt zugleich die Familie und sorgt für eine nachhaltigere Entwicklung. Denn Frauen, die Geld verdienen, investieren mehr in die Gesundheit und Ausbildung ihrer Kinder als Männer. „Was das genau bringt, ist schwer nachzuweisen“, meint die ILO-Ökonomin. „Ob ein Mann sein Geld in die Kneipe bringt oder die Frau eine Waschmaschine kauft – beides hält das Geld im Kreislauf.“